"""Die schwarz-gelbe Maschine"""

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Die Mannschaft Arm in Arm vor dem Anpfiff, beschwörende Worte in der Kabine, psychologische Tricks: Wie Teambuilding im Profifußball funktioniert, wissen Fans mittlerweile. Wie man da zehntausende Fans einbezieht, weiß Jürgen Klopp.

Bereits vor der vergangenen Saison hatte er sich mit Vertretern der Fanclubs zusammengesetzt, um zu hören, wie ""der Dortmunder denn so tickt. Was ihn bewegt. Und wie man ihn begeistern kann. Auch dieses Mal sitzen Anhänger und Übungsleiter wieder gemeinsam im Stuhlkreis. Der etwas klinische ""Business Club 09"" in der Nordtribüne wird schnell zur lockeren Plauderrunde. Klopp strotzt vor Urlaubsbräune, er trägt Poloshirt und Turnschuhe. ""Mit eurer Hilfe kann unsere Mannschaft die geilste der Liga sein"", sagt er, ""vielleicht nicht die beste, aber die geilste. Die schwarz-gelbe Maschine."" Schon sind alle mitten im Teambuilding. ""Unsere Gemeinschaft darf nicht verloren gehen"", sagt Klopp und meint den Schulterschluss mit den Fans. Doch natürlich wollen erst mal alle wissen, wie der Transfer von Alex Frei denn genau abgelaufen ist.

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Jürgen Klopp über...

...den Frei-Transfer:
Ich muss mal mit dem Vorurteil aufräumen, dass Alex und ich kein gutes Verhältnis hatten. Das Thema ist gleich zu Beginn entstanden, als ich ihn nicht immer aufgestellt habe - er war ja auch lange verletzt gewesen. Nach so einer Pause spielt keiner direkt von Anfang an. Alex hat das auch verstanden. Er hat die Winterpause hindurch trainiert und war zur Rückrunde 30, 40 Prozent fitter. Das war super. Dass man Stürmer trotzdem gelegentlich auswechselt, ist klar. Dafür haben wir ja mehrere (lacht). Wir alle wussten, dass Alex irgendwann zurück in die Schweiz gehen wird und über eine Vertragsverlängerung war noch nicht entschieden. Dann kam plötzlich die Anfrage aus Basel, wobei das erste Angebot eine solche Frechheit war, dass wir es gar nicht ernst genommen haben. Basel hat dann nachgebessert und Alex seinem Heimatgefühl nachgegeben. Ich glaube, wir vermissen uns schon etwas.

...Mladen Petric:
Mladen fühlte sich damals bei uns unterbezahlt. Da hatten wir die Möglichkeit, alles so zu belassen und einen unzufriedenen Spieler zu haben. Oder ihm mehr Geld geben, was wir nicht haben. Dann kam das Angebot des HSV. Mladen ist ja entspannt genug, zu Zeit das selbe mit dem VfL Wolfsburg zu versuchen.

...Neuzugang Lucas Barrios:
Im Herbst 2008 ist sein Name das erste Mal aufgetaucht, unser Scouting hat sehr gut gearbeitet. Als wir jetzt einen neuen Stürmer suchten, haben wir uns für ihn entschieden. Natürlich gab es auch Alternativen, aber die waren nicht finanzierbar. Lucas hatte auch Angebote aus Osteuropa, aber mit dem Namen Borussia Dortmund konnten wir ihn leicht überzeugen. Lucas hat in Chile so oft getroffen, der muss ein Guter sein. Ganz egal, ob er vorher in Argentinien schwach gespielt hat. Ein richtiger Brecher, der sich blitzschnell drehen kann.

Auf die Frage, was Barrios denn so von Dortmund überzeugt habe, obwohl er auch Angebote aus Rom und Getafe hatte, antwortet Klopp: ""Das war tatsächlich vor allem das tolle und vor allem immer volle Stadion. Schau mal im Internet ein Spiel in Rom. Da sitzt die Frau von Totti auf der Tribüne und sonst keiner. Die Atmosphäre hier im Stadion ist auch in Chile bekannt.

...Kevin Großkreutz:
Kevin lebt den BVB. Als wir vergangene Saison in Gladbach gespielt haben, war er im Stadion. Ahlen hatte auch noch ein Spiel. Keine Ahnung, ob er da gesagt hat, dass er ein bisschen später kommt. Wenn´s um den BVB geht, ist der völlig verstrahlt. Wir gingen letztens durch Dortmund und da fing der plötzlich an, irgendein BVB-Lied zu singen. Das kannte keiner, ich weiß jetzt nicht mehr, was es war.

Vorsänger Daniel hilft Klopp auf die Sprünge: ""Im Wagen vor mir......"". Klopp: ""Genau, das war es.

...Robert Lewandowski:
Er ist ein riesengroßes Talent, aber vom Typ her kein Ersatz für Alex Frei. Er ist Nelson und Dimitar zu ähnlich. Aber die Schlagzeilen, dass er mein Wunschspieler ist, die sind Humbug. Ich bin nach Polen geflogen, um ihn mir anzusehen. Und da dachte, da wäre ein Filmstar hinter mir, so viele Kameras waren da. Aber die galten wohl mir. Und so kam das zustande, dass die Presse dann meinte, Lewandowski sei mein Wunschspieler, wenn ich schon bins nach Polen fliege.

...die Konkurrenz im Kader:
Gerade im Mittelfeld haben wir eine ganz brutale Drucksituation. Ich bin wirklich froh, dass ich der Trainer und kein Spieler bin.

...die Malocher-Tradition des BVB:
Jeder Spieler weiß, dass hier etwas Besonderes ist. Aber dass alle den Verein so lieben wie ihr, davon dürft ihr nicht ausgehen. Ihr seid viel länger hier und habt eine ganz andere Beziehung zum BVB. Ich finde es peinlich, wenn - wie nebenan - Spielern Helme aufgesetzt werden und man sie eben unter Tage schickt, ihnen etwas Dreck ins Gesicht schmiert und dann ein Mannschaftsfoto macht. Das ist aufgesetzter Blödsinn.

...die Fans:
Die Fans können so stark Einfluss auf den Spielverlauf nehmen, das glaubt ihr gar nicht. Die Südtribüne ist schon gewaltig. Aber wenn wir auch noch den anderen 50.000 bewusst machen können, wie sehr sie helfen können, wäre das der Hammer. Die Tribüne hinter der Trainerbank ist jedenfalls schon recht lautstark, wenn es um Kritik geht (lacht), ich hör das ja alles. In der vergangenen Saison haben wir großartige Momente mit den Fans gehabt. Ich will mehr davon. Ich will, dass wir uns einiger sind als alle anderen Mannschaften der Liga.

...Pfiffe:
Ihr habt so eine Macht. Wenn ihr wolltet, dann könnt ihr das locker schaffen, dass in der Mannschaft nichts geht. Gegen ein Stadion anzuspielen, ist unmöglich. Aber mit den Fans im Rücken, ist es absolut einmalig.

...Mohammed Zidan:
Der ist ja angeblich mein Ziehsohn. So ein Quatsch. Ich stelle den auf, der am besten drauf ist. Mohammed hatte es ja am Anfang eher schwieriger bei euch, aber das hat sich ja relativ schnell gelegt. Aber wenn man einen wie Zidan in der Mannschaft hat, der gerne in Dribblings geht, dann muss man einbeziehen, dass er auch mal den Ball verliert. Das ist bei Robinho nicht anders, ohne die beiden jetzt vergleichen zu wollen. Aber Mohammed hat ja dann einige wichtige Tore gemacht.

...die Blauen:
Ihr könnt mir glauben, dass es jedem bei uns bewusst ist, was für ein besonderes Spiel das ist. Da freut sich auch jeder besonders drauf. Ist doch auch geil, schön Samstags nachmittags gegen Schalke. Ok, im letzten Jahr war es zunächst nicht so schön. Da habe ich in Gedanken nach dem 0:3 schon meine Koffer gepackt. Aber dann haben die Schalker plötzlich angefangen, zu treten. Aber die haben nicht getreten, weil deren Fans das toll finden, wenn sie BVB-Spieler um treten. Die haben gemerkt, dass ihnen was aus den Händen gleitet. Und dann haben sie halt die Nerven verloren.

...die Vorkommnisse am letzten Spieltag:
Nach dem Schlusspfiff hat sich Roman furchtbar aufgeregt und rumgebrüllt, dass wir mehr nach vorne hätten spielen müssen. Ich bin dann zu ihm hin und hab ""Halt die Fresse!"" geschrien. Was soll ich auch sagen? Seien sie bitte etwas ruhiger! kann ich in dieser Situation doch nicht sagen. Sebastian ist dann zu ihm hin und hat zurückgeschrien, dass wir alle zusammen gewinnen und auch verlieren. Das war ein ganz normaler Streit zwischen Freunden, die beiden sind beste Kumpels. Aber da entstanden halt blöde Bilder. Ich habe versucht, eine Situation, die doof aussieht, mit einer Situation, die doof aussieht, zu klären. Dann kam unser Mannschaftsarzt auf mich zu und rief, dass Mohammed zur Dopingprobe müsse. Sofort, sonst würde er gesperrt. Ich also zu Mohammed und hab ihm gesagt: Du musst zur Dopingprobe. Doch ich hab nur in zwei völlig leere Augen geguckt. Ich konnte bis zur hinteren Schädeldecke gucken, der arme Kerl war völlig weg. Da hab ich ihn geschüttelt und angeschrien: DOPINGPROBE! Und ihn gepackt und ihn dort hin gezerrt. Mohammed war völlig fertig wegen der Niederlage. Genau wie die gesamte Mannschaft.

...das Abseitstor der Hamburger:
Mir hat jemand erzählt, dass der Linienrichter die vier Hamburger, die im Abseits standen, bestimmt für die Viererkette der Frankfurter gehalten hat. (lacht)

...die BVB-Akademie:
Wir müssen den jungen Spielern in erster Linie eine richtig gute Ausbildung bieten. Wen wir dann nicht behalten können, müssen wir abgeben, damit er die Chance hat mit seiner Ausbildung Profifußball zu spielen. Wenn nicht bei uns, dann woanders. Wir führen die Jungs an ein verantwortliches Leben rund um den Fußball heran. Und helfen ihnen in Sachen Theorie noch mal auf die Sprünge.

...Motivation:
Es ist ein riesiger Unterschied, ob ich als Spieler schnell renne, weil ich Angst vor dem habe, das in meinem Rücken ist. Oder ob ich schnell renne, weil ich mich auf das freue, was vor mir ist. Und Angst bekomme ich zum Beispiel (lacht), wenn mir der Trainer nur Medizinbälle hinterher wirft.

...Elfmeter:
Klar, Alex Frei ist ein sicherer Elfmeterschütze, da war ich mir immer hundertprozentig sicher, dass der drin ist. Aber wir haben noch andere, die Elfer schießen können. Tinga, Neven, Nuri, Sebastian. Tamas Hajnal will übrigens nicht unbedingt.

Nach zwei Stunden lockerer Plauderei gehen alle Fans mit dem guten Gefühl nach Hause, dass auch in diese Saison was gehen könnte. Und dass wir ein ziemlich wichtiger Teil von eventuellen Erfolgen wären.

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