Jeder gegen Jeden

Die gigantische Südtribüne in Dortmund - eine Waffe. Am Freitag, nach dem 1:1 des BVB gegen Bochum, richtete sie sich mit gnadenloser Durchschlagskraft gegen das eigene Team. ""Selten"", sagte Linksverteidiger Dede, ""habe ich so viele Pfiffe gehört. Das ging ja schon nach 15 Minuten los ..."" Nur die Schwäche der Liga erlaubt es dem selbst ernannten UEFA-Cup-Kandidaten Borussia Dortmund noch, sich im Soll zu wähnen. Der Rückstand des Tabellensiebten auf Rang drei beträgt nach acht Spieltagen einen Punkt - trotz diverser Heim-Offenbarungseide (1:1 gegen den 14. Mainz, 2:2 gegen den 16. Hannover, 1:1 gegen Schlusslicht Bochum). Übertroffen werden die in der Spieleröffnung planlosen, im Mittelfeld athletisch und konzeptionell gar desolaten Auftritte noch von der Außendarstellung des Klubs. Es scheint so, als schieße ""Jeder gegen Jeden"". Man windet sich in Selbstzerfleischung, streift mitunter den Wahnsinn und fühlt sich schließlich falsch zitiert oder lässt Entschuldigungen folgen. Wörns kritisiert Watzke - und nimmt Aussagen dann zurück So wie Christian Wörns: Der hatte nach dem B1-Derby ein Donnerwetter ausgelöst, als er klagte, dass ""von Seiten der Vereinsführung Unruhe in die Mannschaft getragen"" werde. Adressat der offenen Schelte: ausgerechnet sein Chef, Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Der griff noch in der Nacht zum Telefonhörer und las dem Innenverteidiger die Leviten. Stunden später war Wörns in der Kabine einer von drei Rednern (neben Sportdirektor Zorc und Trainer van Marwijk). Der Kapitän: ""Ich ziehe meine Aussage zurück. Sie stand mir nicht zu!"" Über das nächtliche Telefonat sagte Wörns - wir zitieren: ""Herr Watzke war wohl ziemlich angepisst."" Van Marwijk in der Schusslinie Nun ist Wörns nicht irgendwer. Der Mann hat 431 Liga-Spiele auf dem Buckel und das Recht, in seiner Kapitäns-Funktion als Sprachrohr gelten zu dürfen. Gesprochen hat Wörns oft. Nach dem 2:2 gegen Hannover leitete er mit seiner Aussage, einige Spieler seien ""platt gewesen"", eine Fitness-Debatte ein. Watzke rechnete daraufhin vor: ""Wir haben von 18 möglichen Punkten acht geholt - das ist ein bisschen wenig."" Wörns Worte würden ihn ""beunruhigen"". Er, der verärgerte van Marwijk und Zorc lieferten sich schließlich ""eine schonungslose Analyse"" (Watzke) und erweckten den Eindruck, man funke wieder auf einer Wellenlänge. Es gibt durchaus Zweifel daran. Bert van Marwijk steht in der Schusslinie. Nicht nur wegen des Schlafwagenfußballs, den sein im Mittelfeld konzeptloses Team unter der Regie des offenbar falsch eingeschätzten Steven Pienaar bietet. Auch wegen in ihren Leistungen stagnierender Akteure (unter anderem Sahin, Kringe, Kruska), falscher Signale vor wichtigen Partien (nur zwei Einheiten vor dem Bochum-Spiel) und einseitiger Kritik-Gewichtung. Zuletzt litt sein Verhältnis zum Schweizer Alexander Frei arg. Dessen Landsmann Philipp Degen (""Ich erkenne mich nicht wieder"") traf sich am Wochenende mit seinem Agenten zu Beratungen. Und schweigt beharrlich. Alexander Frei: ""Tfter Mal die Klappe halten Auch Frei lässt nichts nach außen dringen: ""Wir sollten öfter mal die Klappe halten"", sagte er und quittierte die Frage, ob diese Meinung teamintern konsensfähig sei, knapp: ""Ich spreche nur für mich!"" Wenige Meter neben ihm sezierte Zorc die Ausreden einiger Profis: ""Jämmerliche Erklärungen!"" In Dortmund ist zurzeit die Hölle los. ""Die Mannschaft steigert sich von Spiel zu Spiel: Es geht immer noch eine Spur schlechter"", schrieb schwatzgelb.de, das Ohr der Fanszene, am Freitag. Und: ""Die Stimmung kippt."" Roman Weidenfeller: ""Wenn ich sagen würde, was ich denke, hätten Sie die ganze Woche was zu schreiben."" Im Falle einer ähnlich desolaten Leistung wie gegen Bochum im Pokalspiel gegen Hannover (Di., 19.30 Uhr) würde die Elefantenrunde (Zorc, Watzke, van Marwijk) wohl wieder tagen. Zorc glaubt: ""Selbst dann gäbe es keine Trainerdiskussion.""