Ricken: Ich bin Held oder Versager
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"Im Mai 1997 schoss Lars Ricken Dortmund mit seinem Traumtor zum Champions-League-Triumph gegen Turin. Jetzt spielt er Regionalliga. Exklusiv in BamS spricht Ricken (30) über seinen Absturz Von JTRG WEILER und MATTHIAS MARBURG Von der Königsklasse in Liga 3: Ricken mit dem riesigen Champions-League-Pott. Weltstar Johan Cryuff prophezeite ihm eine große Karriere. Jetzt spielt der Mittelfeldmann im BVB-Regionalliga-Team Mal ehrlich. Wie oft haben Sie sich ihren Treffer gegen Juve mittlerweile angeschaut? Lars Ricken: In den zehn Jahren habe ich noch nicht einmal das ganze Spiel gesehen. Mein Tor übrigens auch noch nicht so oft. Es ist nicht so, dass ich es mir jede Nacht vor dem Einschlafen anschaue. Aber es war der wichtigste Moment Ihrer Karriere? Definitiv. Man spielt Fußball, um etwas zu hinterlassen, an das man sich auch nach der Karriere erinnert. Und das ist mir mit dem Tor gelungen. Sie galten als Jahrhundert-Talent. Jetzt gurken Sie in der Regionalliga rum ... Es ist ja meine eigene Entscheidung, ob ich bei den Amateuren spiele. Bevor ich am Wochenende rumhänge, sammle ich lieber Spielpraxis. Ich bin nicht beleidigt, wenn ich von oben runtergeschickt werde. Aber es muss Sie doch tierisch nerven, dass Thomas Doll Sie zum Sündenbock auserkoren hat ... Da sollte ein Zeichen gesetzt werden und ich habe eine gewisse Fallhöhe. Der Grund für meine Suspendierung waren die 20 Minuten in Bielefeld (Dortmund verlor 0:1, der eingewechselte Ricken spielte katastrophal schlecht, die Red.). Mehr ist da ehrlich nicht vorgefallen. Und jetzt ist das Tischtuch zwischen Ihnen und Doll für immer zerschnitten? Quatsch. Unser Verhältnis ist absolut okay. Wir haben uns ausgesprochen und er hat mir versichert, dass er weiter mit mir plant. Eins muss ich auch klarstellen: Wenn Thomas Doll nicht gekommen wäre, hätten wir Schwierigkeiten gehabt, die Klasse zu halten! Wollen Sie nach dieser Demütigung Borussia nicht endlich mal verlassen? Was passiert ist, war keine leichte Sache für mich. Aber jetzt gehöre ich wieder zum Profi-Kader. Ich bin das beste Beispiel dafür, wie schnell sich Situationen ändern können. Entweder bin ich Held und Hoffnungsträger - oder eben Versager. Ich polarisiere wie kaum ein anderer! Bei den letzten vier Trainern hatten Sie keinen Stammplatz. Ist Ihre Zeit vorbei? Langsam. Selbst unter Bert van Marwijk, der bekanntlich kein großer Freund von mir gewesen ist, habe ich entscheidende Tore gemacht. Ich brauche Vertrauen, dann zahle ich auch zurück. Haben Sie Fehler in Ihrer Karriere gemacht? Ich habe mit Sicherheit nicht alles richtig gemacht. Natürlich stellt sich immer die Frage, ob ein Vereinswechsel für mich besser gewesen wäre. Aber der BVB ist nicht irgendein Klub für mich. Es ist meine Stadt. Mein Verein. Und übrigens hat kein Spieler mehr Titel gesammelt als ich. Also kann ich doch nicht alles falsch gemacht haben! Bereuen Sie Ihren berühmten Nike-Werbespot, wo Sie Manager als Nieten in Nadelstreifen tituliert haben? Es gibt selten einen Spot, an den man sich zehn Jahre lang erinnert. Aber ich gebe zu, dass ich ihn in dieser Schärfe nicht mehr machen würde. Ich habe es damals getan, um mich neu zu positionieren. Vorher hatte ich das Image des Heavy Metal hörenden Fußballers, Tennie-Schwarms oder Bravo-Sportlers. Damit habe ich mich nicht wohl gefühlt. Durch den Spot wurde sich kritischer mit mir auseinandergesetzt."" Welcher Trainer hat Sie am meisten geprägt? Ottmar Hitzfeld war außergewöhnlich. Der hat mich mal als 17-Jährigen in ein Restaurant eingeladen, um mir zu erklären, warum der BVB Andreas Möller holt. Welcher Trainer würde das heute noch machen?"" In der Nationalmannschaft konnten Sie sich nie durchsetzen. Warum eigentlich nicht? Als ich jünger war, hatte ich das Pech, dass aufstrebende Talente in der Nationalmannschaft nicht gebraucht wurden. Die sollten sich erst einmal in der U21 beweisen. Damals hatten wir Leute wie Klinsmann, Möller, Bierhoff, Thon und Häßler - da brauchte man mich nicht. Ich habe mein erstes Länderspiel gemacht, als ich schon zweimal Deutscher Meister und einmal Champions-League-Sieger gewesen bin. Das ist heute anders. Da werden Spieler schon nach wenigen guten Bundesligaspielen nominiert. Haben Sie eigentlich BVB-Aktien? Ja - und zwar eine ganze Menge, die ich zum Ausgabepreis gekauft habe. Die habe ich immer noch. Ich hoffe, wie viele, dass sie irgendwann wieder steigen. Welchen Traum haben Sie noch? Ich will noch mal im Westfalenstadion ein Tor erzielen und den DFB-Pokal gewinnen. Ich habe 300 Bundesliga-Spiele, 57 Europa-Cup-Partien und gerade mal gefühlte fünf DFB-Pokal-Spiele. Das muss sich ändern."""