Der Tinga-Effekt
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Der Brasilianer wächst mit Borussia Dortmund am Gegner. Deshalb gab es in der Kür gegen Bayern München wieder Bestnoten. Die Pokalpartie gegen Eintracht Frankfurt gehört aber zum Pflichtprogramm Einer Statistik zu vertrauen, die man nicht selbst gefälscht hat, birgt immer ein gewisses Risiko. Das Material, das Borussia Dortmund nach dem 0:0 gegen den FC Bayern München zur Verfügung gestellt hat, war aber eindeutig. 19 Torschüsse auf der Habenseite des BVB, 14 bei den Bayern. Zwölf Flanken des BVB, vier Flanken der Bayern. 52 Prozent der Ballkontakte beim BVB. 54 Prozent der Zweikämpfe gewonnen durch den BVB. Die meisten Torschüsse durch Mladen Petric (sieben, die meisten bei den Bayern hatte Bastian Schweinsteiger, drei). Die meisten Torschussvorlagen durch BVB-Verteidiger Dede (fünf gegenüber drei von Ze Roberto). Und die weitaus meisten Ballkontakte hatte BVB-Verteidiger Philipp Degen, nämlich 86. Weil Statistiken keine Spiele gewinnen und in der Bundesliga das Gefühl noch immer mehr zählt als kleinkariertes Buchhalterwesen, konnten die Borussen aber auch nach dem Abpfiff nicht mehr entscheidend punkten. Trainer Thomas Doll hat sich zwar mutig dem renommierten bajuwarischen Kollegen Ottmar Hitzfeld entgegen geworfen, als der schwankend wie ein leicht angesäuselter Seemann behauptete, man hätte als Bayer den Sieg verdient gehabt beziehungsweise zumindest gerechterweise ein Remis eingenetzt. Doch nicht einmal ein kleines Lob durch den Kontrahenten war zu erbeuten. Unter normalen Umständen hätte die Borussia das Vorent-haltene durch engagiertes Eigenlob kompensieren können. Doch auch das fällt schwer in Zeiten des Medienboykotts. Lediglich Jakub Blaszczykowski demonstrierte Gesprächsbereitschaft, allerdings nur gegenüber polnischen Journalisten in seiner Heimatsprache. So blieb am späten Sonntagabend vieles unvollendet. Das Spiel, das einen Sieger verdient gehabt hätte, und die Aufarbeitung der Ereignisse, die sich so zusammenfassen lassen: Borussia Dortmund hat nach dem 3:0-Erfolg gegen Werder Bremen das zweite Mal in dieser Saison weithin sichtbar angedeutet, dass die vor dem Ligastart an den Klub verteilten Vorschusslorbeeren nicht in Traumland geerntet worden sind. Dass den Bayern der Kreative Franck Ribery fehlte und der Uefa-Cup-Marsch durch die Steppe von Roter Stern Belgrad noch in den Knochen steckte, kann zur Entlastung des Branchenriesen herangezogen werden. Doll hatte jedoch genug Gründe, die eigene Leistung hervorzuheben und das Entscheidende für die Zukunft anzumahnen: ""Wenn wir die Konstanz reinkriegen in unser Spiel, dann sieht das auch so aus, wie wir es heute gesehen haben."" Das Beispiel des Brasilianers Tinga wirft jedoch die Frage auf, ob ein konstantes Leistungshoch von Name und Nationalität der Gegner abhängig sein könnte. Gegen den Bremer Brasilianer Diego und gegen seine in Bayern-Diensten stehenden illustren Landsmänner Ze Roberto und Lucio surrte Tinga über den Rasen wie aufgezogen. Bei drei Niederlagen in der englischen Woche dagegen muss vergessen worden sein, am Rädchen die richtige Grundspannung zu erzeugen. Erst wenn am Mittwoch die Frankfurter Eintracht zum Pokalspiel anreist, wird sich erweisen, ob ein tabellarisch ohnehin nicht auffällig wertvoller Teilerfolg für die Borussia zu dem ""Signal"" wird, das Doll mit einem Sieg gerne etwas höher gehisst hätte. Die einst bunt schillernden Hessen repräsentiert aktuell das ausgezehrte Malochergesicht von Trainer Friedhelm Funkel. Es werden nicht wieder 80 000 Menschen im Signal-Iduna-Park mitfiebern, und es wird sich auch nicht eine Fußballnation mit ihrer Hoffnung hinter den Borussen aufbauen, dass endlich, endlich die Bayern ein bisschen in ihrem Galopp gebremst werden. Es wird der mausgraue Alltag einkehren, und Doll wird vorher einige unpopuläre, möglicherweise belastende Entscheidungen fällen müssen. Das 4-1-4-1-System mit Nelson Valdez auf der rechten Seite des Mittelfeldes und Petric als einzigem Stürmer hat funktioniert. Diego Klimowicz wird also wohl auf der Bank Platz nehmen. Schwieriger dürfte es sein, Kapitän Christian Wörns zu vermitteln, dass die Kollegen Innenverteidiger Markus Brzenska und Nico Kovac den Vorzug erhalten. Bei Wörns stimmen die statistischen Werte nämlich gefühlt seit Jahrzehnten.