In der vergangenen Saison schrammte Borussia Dortmund nur um Sekunden an der Europa League vorbei. Im Bewusstsein, dass die Konkurrenz - anders als die Schwarz-Gelben - teilweise personell stark aufgerüstet hat, kommt den Verantwortlichen kein europäisches Saisonziel über die Lippen. Doch die Rückrunde mit sieben Siegen in Serie hat nicht nur bei den eigenen Anhängern für Staunen gesorgt, die Borussia wird wieder ernst genommen.
Auf dem Transfermarkt hielt sich der BVB aus finanziellen Gründen merklich zurück, nach dem Verkauf von Alex Frei sind Manager Michael Zorc und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke nun aber zum Handeln gezwungen. Doch auch an anderer Stelle ist einiges in Bewegung, mit der neu gegründeten Fußball-Akademie soll der Übergang von Jugend und Reserve ins Profiteam weiter verbessert werden:
"ÿ""Bis zur U19 werden die Nachwuchsspieler in einem großen Maße belastet. Doch danach endet die Jugendförderung"", sagte Trainer Jürgen Klopp im Trainingslager in Donaueschingen. ""Mit der BVB-Akademie sprechen wir die jungen Burschen von 19 bis 23 Jahren an. Wir wollen dort ihren Tagesablauf vervollständigen. Sie werden sich den ganzen Tag mit ihrem Lieblingsfach, dem Fußball, beschäftigen. Und zwar in allen denkbaren Bereichen.""sportal.de befasst sich dann aber doch lieber mit dem aktuellen Kader:
Torwart
Roman Weidenfeller hatte es zu Beginn der vergangenen Saison nicht leicht. Nach langer Verletzungspause leistete sich der 2002 nach Dortmund gewechselte Keeper einige Unsicherheiten, nach Patzern gegen Bremen und Bochum forderten einige Fans schon Ersatzkeeper Marc Ziegler. Doch Klopp hielt an Weidenfeller fest und wurde belohnt.
Das hat schon mal nicht geklappt, wenn auch von vergraulen keine Rede sein kann. Alex Frei ist weg... Der 28-Jährige stabilisierte sich und hatte großen Anteil an der zweitstärksten Abwehr der Bundesliga, Weidenfeller hielt sogar ganze 13 Mal die Null. Erstklassig auf der Linie zeigt Dortmunds Torwart aber insgesamt noch zu häufig Schwächen beim Herauslaufen, auch fußballerisch gibt es bessere Keeper. Mit Ziegler hat Klopp aber auch einen starken Vertreter, Sorgenfalten sehen anders aus.
Abwehr
Defensiv hätten die letzten beiden Jahre unterschiedlicher kaum laufen können. Unter Thomas Doll war der BVB noch die Schießbude der Liga (62 Gegentore), Klopp machte mit zunächst belächelten Maßnahmen hinten dicht. Er holte mit Neven Subotic und Felipe Santana zwei blutjunge Innenverteidiger und setzte mit Mats Hummels auf einen dritten Jungspund. Die Reduzierung auf 37 Gegentreffer war ein großartiger Lohn, zudem erzielten die Drei zusammen zwölf Tore.
Die Dortmunder hatten deshalb keinen Grund an der zentralen Ordnung etwas zu ändern, doch auch im zweiten Jahr bleibt die fehlende Routine eine Gefahr. Hummels war lange verletzt, Subotic schwankte schon in der Rückrunde und Santana wird sich nicht ohne weiteres auf die Bank setzen. Halten die Drei aber ihr Niveau, wird es schwer sein gegen die Schwarz-Gelben Tore zu erzielen.
Bei den Außenverteidigern fehlt Klopp dagegen ein gestandener vierter Mann, nach dem Verkauf von Young-Pyo Lee wurde deshalb Jugendspieler Julian Koch nach oben gezogen, er soll als Vertreter - des zu Bremer Zeiten verletzungsanfälligen - Patrick Owomoyela aufgebaut werden. Auf der linken Seite ist Dede weiterhin gesetzt, für U-21-Europameister Marcel Schmelzer bleibt vorerst nur die Rolle des Lehrlings. Die Stamm-Viererkette gehört zu den stärksten in der Liga, viele Verletzungen sollte es aber nicht geben.
Mittelfeld
Die Abwehr der Borussia ist gut, das Prunkstück ist aber das Mittelfeld. Bereits in der vergangenen Saison verinnerlichte die Raute mit Sebastian Kehl auf der Sechs, Tamas Hajnal auf der Position des Spielmachers und den variablen Außen das laufintensive und Ball und Gegner orientierte System von Trainer Klopp. Nun hat der Übungsleiter mit Markus Feulner, dem besten Vorlagengeber der 2. Liga, U-19-Europameister Sven Bender und Kevin Großkreutz, der allerdings auch im Sturm spielen kann, eine Situation geschaffen, in der jede Position mindestens doppelt besetzt ist.
In der Vorbereitung spielte die Borussia erst gegen einen prominenten Gegner (Nürnberg, 1:0), zuvor gab es nur wenig aussagekräftige Kantersiege gegen unterklassige Vereine. Trotzdem kristallisiert sich bereits eine Wunschformation heraus, die nur kaum von der der letzten Saison abweichen dürfte. Kehl und Hajnal bleiben unangetastet, auch wenn der Kapitän zu Beginn der Vorbereitung etwas kürzer treten musste. Offener gestaltet sich das Rennen auf Außen, doch Nuri Sahin und Kuba Blaszczykowski haben wieder die Nase vorn. Für die drei Neuzugänge sowie Tinga, Florian Kringe und Eigengewächs Yasin Tztekin gibt es noch keinen Stammplatz, aber der Konkurrenzkampf wird sich gerade im Mittelfeld leistungsfördernd auswirken.
Sturm
Wie sportal.de bereits berichtete, läuft in Dortmund die Suche nach einem Nachfolger für Alex Frei auf Hochtouren. Dabei sollten sich Zorc, Watzke und Klopp nicht zu sehr darauf versteifen, einen Angreifer mit einer vergleichbaren Lunge wie Nelson Valdez zu verpflichten, vor allem sind Torjägerqualitäten gefragt.
Neben Valdez, der trotz seiner Fortschritte noch zu viele Torchancen liegen lässt, stehen Mohamed Zidan und Neuzugang Dimitar Rangelov (Cottbus) sowie die Youngster Großkreutz, Christopher Kullmann und Bayram Sadrijaj als Stürmer bereit. Bei keinem dieser sechs wird in Buchmacherkreisen darüber nachgedacht, sie in die Liste der potentiellen Torschützenkönige aufzunehmen.
Eine abschließende Bewertung der Qualitäten des BVB-Sturms ist momentan nur schwer zu machen, eine Startformation mit Valdez und Zidan ist aber nur schwer vorstellbar. Deshalb wird sich entweder der Neuzugang einen Stammplatz schnappen oder Rangelov gelingt die Umstellung vom Abstiegskampf schneller als erwartet.
Trainer
Jürgen Klopp passt zu Borussia Dortmund und Borussia Dortmund passt zu Jürgen Klopp. Der stets gut gelaunte und eloquente Trainer, der von Ausrüster Kappa eine eigenen Kollektion (Übungsleiter K) bekommen hat, gehört nur noch nicht zur absoluten Spitze der Bundesliga-Trainer, weil er bislang keinen bedeutenden Titel gewinnen konnte.
Allerdings stellte er sowohl in Mainz als auch jetzt beim BVB unter Beweis, dass er langfristig arbeiten kann. Klopp hat klare Vorstellungen von einem System, hat bei vielen Dortmunder Spielern für eine Verbesserung gesorgt, lässt attraktiv nach vorne spielen und identifiziert sich zu 100 Prozent mit seinem Arbeitgeber.
Taktisch bevorzugt Klopp ein 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld. Dabei fällt den offensiven Außenverteidigern Dede und Owomoyela ebenso eine Schlüsselrolle zu wie den beiden Stürmern, die offensiv ständig in Bewegung sein und defensiv den Auftakt einer unangenehmen Abwehrarbeit bilden sollen. Die Spieler des BVB haben die Raumaufteilung mittlerweile gut verinnerlicht und werden vielen Teams Probleme bereiten.
Schlüsselfaktor
Wir gehen einfach mal davon aus, dass im Sturm in den kommenden Tagen nachgelegt wird. Deshalb sollte Klopp noch an anderer Stelle den Hebel ansetzen. Dortmund kassierte in der vergangenen Saison zwar nur fünf Niederlagen (Bestwert in der Bundesliga), mit 15 Unentschieden wurde aber eine noch bessere Platzierung als Rang sechs fahrlässig vergeben. Mehr Cleverness bei eigener Führung, höhere Risikobereitschaft bei Gleichstand und ein größerer Glaube an die eigene Stärke sollte den BVB zu einem echten Spitzenteam reifen lassen.
Prognose
Ohne das Fragezeichen im Sturm wäre der BVB sogar ein Kandidat für die Champions League. Klopp hat ein eingespieltes Team sinnvoll ergänzt, ohne Doppelbelastung wird die Borussia nur schwer zu schlagen sein. Deshalb qualifiziert sich Dortmund mit Platz 5 für die Europa League.