"""Ich will endlich wieder voll angreifen"""

"""Urlaubsreif ist Sebastian Kehl nicht wirklich. Zu verkorkst - weil von Verletzungen geprägt - verlief die Saison für den Fußball-Nationalspieler von Borussia Dortmund. Auf gerade einmal sechs Einsätze kam der Lahrbacher in der abgelaufenen Spielzeit. Keine einzige Bundesligapartie konnte der 27-Jährige dabei über 90 Minuten bestreiten. Jetzt ist Kehl endlich wieder so weit, dass er angreifen könnte. Er strotzt vor Energie, wie er im Gespräch mit unserer Zeitung verrät. Und deshalb wird er die viereinhalb Wochen Urlaub (""So viel Freizeit am Stück hatte ich in meiner ganzen Karriere noch nicht) auch für diverse persönliche Trainingseinheiten nutzen. Frage: Wie fit bist du denn jetzt wirklich? Kehl: Ich habe in den vergangenen Wochen versucht, vieles aufzuholen. Aber es fehlt natürlich noch eine ganze Menge. Eine solche Saison kann man nicht von heute auf morgen aufholen. Ich stand zwar in den letzten drei Spielen im Kader, aber Thomas Doll hat mich zu Recht nicht eingesetzt. Natürlich hätte ich gern - insbesondere im Derby gegen Schalke - gespielt. Aber das wäre unvernünftig gewesen. Jetzt habe ich im Urlaub genügend Zeit, wieder topfit zu werden. Frage: Apropos Thomas Doll. Was hat sich bei euch verändert, seitdem er das Ruder von Jürgen Röber übernommen hat? Kehl: Er hat ein neues Denken und jede Menge positive Stimmung in die Mannschaft gebracht. Sein Training ist klasse. Er bringt viele neue Elemente, die ich auch in der Nationalmannschaft schon kennen gelernt habe. Ich denke, mit Thomas Doll haben wir einen richtig guten Trainer, der hoffentlich auch genügend Zeit bekommt, eine schlagkräftige Mannschaft für die Zukunft aufzubauen. Frage: Was waren die Gründe für die durchwachsene Saison beim BVB? Kehl: Wir können mit der Saison tatsächlich nicht zufrieden sein. Und wenn Thomas Doll nicht gekommen wäre, wäre es sicherlich noch viel enger geworden. Ein Problem war auch, dass die neuen Spieler nicht schnell genug in die Mannschaft integriert werden konnten. Auch der Abgang von Tomas Rosicky konnte nicht ausreichend kompensiert werden. Dadurch haben wir im Mittelfeld eine gewisse Torgefahr vermissen lassen. Und schließlich sind neben mir auch andere wichtige Spieler wie Christoph Metzelder und Christian Wörns längere Zeit ausgefallen. Frage: Wie schwer wiegt der Abgang von Christoph Metzelder? Kehl: Das wird uns schon sehr weh tun. Für den Verein und die Fans war er eine Integrationsfigur. Er stand für Borussia, hat sich immer für den Club und die Spieler eingesetzt. Solche Typen braucht eine Mannschaft. Und deshalb hoffe ich, dass wir auf der Position adäquaten Ersatz bekommen werden. Unabhängig davon kann ich verstehen, dass Christoph die Herausforderung, noch einmal bei einem anderen großen Verein spielen zu können, angenommen hat. Frage: Welche Ziele hat sich Borussia Dortmund für die kommende Saison gesetzt? Kehl: Ich glaube, dass wir unseren Kader qualitativ verstärken müssen. Der Verein ist da auch schon tätig geworden. Unser Ziel muss es sein, in einen internationalen Wettbewerb zu kommen. Das können wir auch schaffen. Frage: Und was hast du dir persönlich vorgenommen? Kehl: Für mich ist das natürlich ein ganz wichtiges Jahr. Mein Vertrag läuft 2008 aus, die Europameisterschaft steht vor der Tür. Nach dem vergangenen schlechten Jahr will ich mich beweisen. Ich will endlich wieder voll angreifen und bin richtig heiß auf diese Herausforderung. Frage: Siehst du deine Zukunft auch nach 2008 in Dortmund? Kehl: Ich muss jetzt erst einmal sehen, dass ich wieder Fuß fasse, dass ich wieder mein altes Leistungsvermögen erreiche. Dann wird der Verein sicher in Kürze auf mich zukommen, um den Vertrag zu verlängern. In welche Richtung es dann geht, werden wir sehen. Frage: Heute spielt die Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation gegen San Marino. Welchen Kontakt hast du zu Jogi Löw? Kehl: Ich habe seit der WM regelmäßigen Kontakt zum Bundestrainer und zum Manager Oliver Bierhoff. Sie haben meinen Weg auch nach dem Sommer verfolgt. Wenn ich wieder richtig fit bin, werde ich sicherlich wieder zur Nationalmannschaft eingeladen. Ich habe eine tolle WM gespielt. Aber auch schon davor habe ich bewiesen, dass ich dazu gehöre. Und das will ich auch in den nächsten Monaten unter Beweis stellen. Frage: Ein Wort zur Überraschungsmannschaft des Jahres. Warst du sehr verwundert, dass der VfB Stuttgart Meister geworden ist? Kehl: Die Stuttgarter hatte bis zuletzt ja niemand so richtig auf der Rechnung. Sie haben aber immer einen guten Ball gespielt. Ich persönlich habe nicht geglaubt, dass Werder und Schalke am Ende noch so ins Straucheln geraten. Letztlich ist die Meisterschaft absolut verdient. Vor einer Serie mit acht gewonnenen Spielen zum Ende der Saison kann man nur den Hut ziehen. Das war schon überragend. Und ich habe mich mit den Stuttgartern gefreut, weil sie gezeigt haben, dass man mit einer jungen Mannschaft Erfolg haben kann. Ich bin gespannt, ob der VfB diese Leistungen in der nächsten Saison bestätigen kann. Das wird verdammt schwer, zumal die anderen Top-Teams auch aufrüsten werden. Frage: Wie der FC Bayern München zum Beispiel, der Millionen in neue Spieler investiert. Glaubst du, dass das der richtige Weg ist? Kehl: Die Qualität, die im Raum steht, würde der Bundesliga insgesamt gut tun. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass alle Namen, die jetzt gehandelt werden, auch tatsächlich nach München wechseln werden. Die ganz großen Spieler wollen in der Champions League spielen. Das können die Bayern momentan nicht bieten. Aber grundsätzlich tut ein starker FC Bayern der Liga gut. Qualität steigert immer auch die Attraktivität. Und davon können alle Clubs profitieren. Frage: Wird es also einen Durchmarsch des Rekordmeisters geben? Kehl: Das glaube ich nicht. Auch Bremen und Schalke werden sich verstärken. Und ich bin davon überzeugt, dass auch Energie Cottbus zu Hause einen auf dem Papier favorisierten FC Bayern an einem guten Tag schlagen kann. Insofern wird auch die kommende Saison wieder spannend werden. Frage: Zum Schluss noch ein Ausflug zum Radsport, der ja derzeit jede Menge Negativschlagzeilen produziert. Glaubst du, dass Doping auch im Fußball eine Rolle spielt? Kehl: Das ist für mich total abwegig. Und es bringt im Fußball auch nichts. Selbst wenn man schneller und mehr laufen kann, kann man noch nicht besser spielen. Deshalb gibt es das Problem wohl auch nur in extremen Ausdauersportarten. Frage: Werdet ihr trotzdem kontrolliert? Kehl: Ja, ständig. Und die Kontrollen werden auch unangekündigt durchgeführt, selbst im Training. Wir müssen alles angeben. Schon wenn ich abends eine Aspirin genommen habe, muss ich das melden. Auch wenn es manchmal nervt: Für einen sauberen Sport ist das natürlich gut und richtig."""