´Talente aus der Komfort-Zone locken´

Heiko Herrlich tritt am 1. Juli seinen Dienst beim DFB als Trainer der U 18-Auswahl an. Der 35-Jährige könnte ein Gewinn für die Nachwuchsarbeit des deutschen Fußballs werden. Neulich gegen Schalke. Die A-Junioren des BVB liegen im Heimspiel gegen den Erzrivalen 0:2 zurück. Heiko Herrlich setzt alles auf eine Karte, löst die Abwehrkette auf, ordert totale Offensive an. Der BVB verliert 0:4. Herrlich: ""Egal, die letzten beiden Gegentreffer gehen auf meine Kappe."" Vergangene Woche gegen Schalke. Diesmal im Westfalenpokal-Finale. Herrlich hat seine Taktik geändert, setzt gegen die abwehrstarken Gäste seinerseits auf eine kompakte Hintermannschaft mit zwei defensiven Mittelfeldspielern. Im Elfmeterschießen haben die Herrlich-Burschen die Nase vorn, siegen 8:7. ""Dank einer disziplinierten Leistung im Spiel nach hinten"", so Herrlich. Der sah sich wieder bestätigt: ""Ich musste mir immer im Leben alles hart erarbeiten und erkämpfen"", sagt Herrlich, den der BVB nur ungern ziehen lässt. Nach 12 Jahren als Spieler und Trainer sucht er eine neue sportliche Herausforderung. ""Ich will mich weiterentwickeln, mich weiterbilden und anderen Trainern über die Schulter schauen"", so der Fußball-Lehrer. Schon vor einem Jahr hatte DFB-Sportdirektor Matthias Sammer seine Fühler zu Herrlich ausgestreckt. ""Sehr interessante Aufgabe"", meinte Herrlich, der im März dem ""Roten"" grünes Licht gab. Sammer: ""Wir freuen uns, dass wir einen Trainer der jungen Generation unter Vertrag nehmen konnten. Dank seiner sportlichen Qualitäten und seiner Persönlichkeit ist er ein echtes Vorbild für unsere Junioren-Nationalspieler. Heiko hat in den vergangenen Jahren einen großen Reifeprozess mitgemacht."" Herrlichs Verpflichtung, angeregt von Sammer. Das riecht nach alter schwarz-gelber Männerfreundschaft. Dem ist aber nicht so, wie Herrlich zu berichten weiß: Es war im November 1994, als Sammer am Gladbacher Bökelberg mit dem BVB antrat. Dieses Spiel wird Sammer nicht vergessen. Seither trägt er nämlich eine fette Narbe an der Stirn. Noch während des Spiels wurde Sammers Platzwunde am Kopf mit Metallklammern getackert. Er spielte weiter. Nach einem knochenharten Zusammenprall. Mit Herrlich, dem damaligen Gladbach-Stürmer. ""Im Training in Dortmund habe ich Matthias eine weitere Schramme verpasst"", so der Ex-Stürmer, der in gemeinsamen BVB-Tagen so manches mal von Sammer verbal angeranzt wurde. ""Andreas Möller und ich mussten uns häufiger von ihm was anhören, Matthias dachte halt als Spieler schon wie ein Trainer"", erinnert sich Herrlich. Ein sanfter Bursche ist jedoch auch der neue DFB-Trainer nicht. Herrlich über Herrlich: ""Ich bin ein strenger Trainer, wenn es angebracht ist, muss ich Spielern, die nicht mitziehen, verbal was auf die Nuss geben. Wenn die Jungs jedoch Hilfe brauchen, muss ich alles tun, um ihnen Auftrieb zu geben."" ""Es gibt zu wenige Spieler vom Schlage eines Gattuso"" Herrlich hat stets seinen Talenten angedroht, sie sofort nach Hause zu schicken, sollten sie wegen einer erhofften Karriere daran denken, die Schule oder Lehre abzubrechen. ""Die Jugendlichen befinden sich genauso wie wir damals in der Phase nach der Pubertät - mit allen Zngsten und Träumen. Nur, dass heute die Lage auf dem Arbeitsmarkt schlecht ist. Fußball ist für viele Talente die Möglichkeit schlechthin aus einem Loch herauszukommen"", so der zweifache Familienvater. Wenn Herrlich behauptet, ""auch junge Fußballer bewegen sich schon gern in der Komfort-Zone"", spricht die persönliche Erfahrung mit. ""Es gibt leider zu wenige Spieler vom Schlage eines Gattuso"", da muss man als Trainer eben kräftig nachhelfen. Herrlich: ""Ich muss die Spieler ständig kitzeln, ich muss ihnen vor die Nasen eine frisch duftende Wurst halten und sie dann immer weiter wegziehen, damit die Jungs ihr nachgehen."" Herrlich ist selbst den Weg durch diverse Junioren-Nationalmannschaften gegangen. Meist an der Seite seines Spezis Christian Wörns. ""Wir haben uns damals riesig gefreut, als wir vom DFB eine Sporttasche geschenkt bekamen. Darauf waren wir unheimlich stolz."" Aber auch Herrlich hat die weniger schönen Seiten eines Fußballers erlebt: ""Erst bekommst du Applaus, dann verlieren die Zuschauer aber schnell wieder die Geduld mit dir."" Wie zu den Zeiten als BVB-Stürmer. Herrlich, kein brillanter Techniker, wurde von allen Dortmund-Fans erst richtig gemocht, als für ihn im Jahr 2000 der wichtigste Kampf seines Lebens begann. Der gegen einen Tumor im Kopf. Das große Mitgefühl des gesamten Vereins-Umfeldes hat zu Herrlichs Gesundung beigetragen. Er hat - was er seinen Spielern auch vermittelt - während dieser Leidenszeit aber vor allem gelernt zu unterscheiden zwischen wirklich wichtigen Dingen im Leben und Kleinigkeiten - wie etwa einem verlorenem BVB-Spiel. Mag der Gegner auch Schalke 04 heißen.