Die Stimme der Borussia

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Dieser Tage war Norbert Dickel mal wieder selten in seinem Büro am Rheinlanddamm in Dortmund zu erreichen. Sponsorenfindung, Sponsorenpflege, und dann gab es da ja auch noch den BVB-Kids-Club. Hunderte kleiner Borussen-Fans wollten eine ganze Woche lang betreut und unterhalten werden. Mittendrin im bunten Fußball-Zirkus: Dickel, wer sonst.

Der 47-Jährige genießt in der Arbeiterstadt Kultstatus und dürfte in der Bevölkerung bekannter sein als OB Gerhard Langemeyer. Will sagen: Nahezu ein jeder kennt Dickel. Selbst die, die noch gar nicht auf der Welt waren, als ""Nobby vor 20 Jahren für den Pokalsieg über Werder Bremen seine Gesundheit opferte . 4:1 siegten die Dortmunder damals in Berlin, Dickel schoss zwei Tore, das Feld verließ er als Sportinvalide. Mehrere Comeback-Versuche scheiterten, das lädierte Knie hielt der Belastung nicht mehr stand. ""Leider"", sagt er heute, ""ich hatte eigentlich nicht vor, meine Karriere so früh zu beenden.

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Genau 77 Minuten hielt Dickel am 24. Juni 1989 durch. Trotz großer Schmerzen und der Gefahr, ""dass mir der Meniskus im rechten Knie irgendwann um die Ohren fliegt. Dickel gab alles und noch ein bisschen mehr. Er humpelte, er litt. Für Dortmund. Genau dafür verehren ihn die Fans nunmehr schon im 21. Jahr.

Dickel ist ein Schwarz-Gelber, durch und durch. Der Verein hat den Helden nicht fallen gelassen nach dem jähen Karriereende, sondern ihn angestellt. Nicht die schlechteste Maßnahme: Längst hat der Ex-Profi Tausendsassa-Qualitäten offenbart. Er bereitet Veranstaltungen vor, besucht Sponsoren, redet mit den Fans, ist live im Internet-Radio zu hören und kümmert sich um Beiträge im Fan-TV. Und dann ist Dickel auch noch die Stimme der Borussia, als Stadionsprecher, seit 17 Jahren.

Genauso lange schon huldigt die gewaltige Südtribüne, auf der das Herz des BVB schlägt, der Kultfigur. Es gibt kein Spiel in der westfälischen Fußball-Oper, vor dem Dickel nicht frenetisch als Held von Berlin gefeiert wird. Der 47-Jährige genießt dieses Ritual, das ihm auch heute noch ""eiskalte Schauer und Gänsehaut"" beschert. ""Es gibt keine Routine, wenn du da vor dieser gigantischen schwarzgelben Wand stehst"", sagt Dickel. Er liebt diese Momente kurz vor dem Anpfiff. Wenn er im krächzenden Stakkato, ""die besten Fans der Liga, die Fans von Borussia Dortmund"" begrüßt. Und dann die Vornamen der Helden der Gegenwart ins Mikrofon brüllt. Vor Jahren wurde er als bester Stadionsprecher Europas geadelt. ""Was bedeutet das?"", fragt Dickel und ahnt: ""Vermutlich sind die auf mich gekommen, weil diesen Job außer mir kein anderer Ex-Profi macht.

Dickel ist gern Stadionsprecher. So gern wie er Stürmer war. Gern hätte er auch noch mit 30 Tore geschossen. Oder in der Traditionself gespielt. All das geht nicht mehr seit dem 24. Juni 1989, dem zugleich schönsten und traurigsten Tag seiner Karriere.

Der Hobby-Golfer versichert, nie, wirklich nie ernsthaft darüber nachgedacht zu haben, was passiert wäre, wenn er zugunsten der Gesundheit auf das Endspiel vor 20 Jahren verzichtet hätte. ""Das würde doch nichts bringen. Es hätte mir ja doch niemand verlässlich sagen können, ob der Schaden im Knie zu reparieren gewesen wäre. So habe ich einen Titel, auf den ich mächtig stolz bin. Wenn ich noch einmal entscheiden müsste, würde ich alles wieder so machen.

Dann muss er weg. Zurück zu den Kids. ""Für Ordnung sorgen"", erklärt er, ""da sind ja auch Sechsjährige dabei."" Seinen nächsten Stadionauftritt hat Dickel am 8. August. Im Heimspiel gegen den 1. FC Köln. Elf Tage später kommt Real Madrid. ""Da werden Erinnerungen an die Abende in der Champions League wach. Große Zeiten, auch für mich als Sprecher.

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