Berauscht vom Aufschwung
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Borussia Dortmund setzt ein Ausrufezeichen! Eine neue Zeit vor Augen, spielt der Ruhrgebietsklub Doppelpaß mit der Kunst. Auf dem Trikot für die in knapp drei Wochen beginnende Saison prangt nicht - wie sonst üblich - das Logo oder der Schriftzug eines Unternehmens, sondern ein gelbes Ausrufezeichen auf grünem Grund. Nach mehr als vierzig Jahren Bundesliga trägt zum ersten Mal ein Fußballklub Kunst auf der Brust. Das Rufzeichen soll Kraft, Zuversicht und Erfolg ausdrücken. ""Wir wollen wieder international spielen"", sagt Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Dies ist der Anspruch, hinter dem das kraftvolle Satzzeichen steht. Das von seinen Vorgängern geerbte Büßergewand hat Watzke nach anderthalb Jahren der Konsolidierung abgelegt. Der BVB schickt sich an, wieder eigene Bedürfnisse zu befriedigen, nicht mehr nur die Ansprüche der Gläubiger. Deren Zahl ist deutlich zurückgegangen, auch wenn die Höhe der Schulden noch immer gigantisch wirkt. Die 125 Millionen Euro für die Stadionfinanzierung ausgeklammert, strebt die börsennotierte Fußballfirma zum Jahresende an, ihre Verbindlichkeiten im operativen Geschäft auf knapp unter 30 Millionen zu senken. ""Dann wären wir nahezu schuldenfrei"", sagt Watzke. Die Sonne geht wieder auf Der einfache Arbeiter aus dem Ruhrgebiet mag bei dieser Interpretation den Kopf schütteln - der Sanierer sieht am Horizont die Sonne aufgehen. ""Wir sind wieder frei in unseren unternehmerischen Entscheidungen"", sagt Watzke. Vor kurzem war er noch vom sogenannten Lenkungsausschuß kontrolliert worden. Dieses Gremium wachte darüber, daß die Interessen der Gläubiger gewahrt blieben - bis ein Kredit der amerikanischen Investmentbank Morgan Stanley den BVB in die Lage versetzte, das frühere Westfalenstadion (""Signal-Iduna-Park"") zurückzuerwerben. Der Vorteil dieses Geschäfts liegt darin, daß die jährlich wiederkehrenden Belastungen sinken. ""Wir haben eine hohe Miete gegen günstige Zinsen getauscht"", sagt Watzke. Das bringt pro Jahr eine Ersparnis in Höhe von vier bis fünf Millionen Euro. Und befreit den Klub von der Pflicht, dieses Geld beim Personal einsparen zu müssen. Im Vergleich zu den Zeiten der großen Geldverbrennung a la Niebaum und Meier wurde der Aufwand für die Kicker halbiert. Zur neuen Saison ist beim Gehaltsvolumen erstmals wieder ein moderates Wachstum veranschlagt. Der Etat liegt bei 28 Millionen Euro. Die Borussia konnte sogar ein Investitionsprogramm auflegen, um die sportlichen Chancen zu steigern. Mit dem Geld von Morgan Stanley im Rücken hatte Watzke vor Beginn der Weltmeisterschaft gesagt: ""Niemand darf sich wundern, wenn der BVB Spieler unter Vertrag nimmt, die bei der WM Tore schießen."" Nicht zuviel versprochen Er hat nicht zuviel versprochen. Für insgesamt knapp neun Millionen Euro haben die Dortmunder den bremischen Paraguayer Nelson Valdez und den Schweizer Alexander Frei für den zuletzt unterbesetzten Angriff verpflichtet. Außerdem wird voraussichtlich der brasilianische Profi Tinga nach Dortmund kommen. Gelingt auch dieser Wechsel, würden die Borussen mehr ausgeben, als sie auf dem Transfermarkt eingenommen haben. ""Dann würden wir etwa zwei Millionen netto investieren"", sagt Watzke. ""Man darf ja nicht vergessen, daß wir für Tomas Rosicky einiges erlöst haben."" Der Mittelfeldstratege wechselte gegen eine Ablöse von rund zehn Millionen Euro zum englischen Spitzenklub Arsenal London. Mit der ambitionierten Investitionspolitik will der Geschäftsführer die Attraktivität der Mannschaft und des Standorts steigern - den Sponsoren und den Fans zuliebe. Wäre dem Team keine frische Substanz zugefügt worden, hätte die Gefahr bestanden, in einen Abwärtstrend zu geraten, sagt Watzke. Auf Dauer halte nur sportliche Qualität die Basis bei Laune, mag die Fußball-Begeisterung im Lande nach der WM noch so groß sein. Die Fans als Fundament Unabhängig von wirtschaftlichen Kern- und Kennzahlen sind die Fans immer noch das Fundament des BVB. Ihre Stimmgewalt macht das Spiel für die Gutbetuchten auf den teuren Plätzen erst zum Erlebnis. Wenn auf der Südtribüne das große Schweigen ausbricht, leidet nicht nur der kleine Mann. Deshalb hat der Anhang einen Arbeitskreis Stimmung gebildet, um die Phonstärke im Stadion den Erfahrungswerten herausragender WM-Ereignisse anzupassen (als Vorbild dient vor allem das Spiel Deutschland gegen Polen). In Dortmund arbeitet jeder nach seinen Möglichkeiten am Aufschwung. Überzeugt vom Sanierungskurs der Oberen, zeigen sich die Fans kompromißbereit. Erst hatten ihre im Verein organisierten Sprecher heftig gezetert über das neue Trikot. Nicht das vor Kraft strotzende Ausrufezeichen ärgerte sie, sondern die Farbkomposition. Zuviel Weiß, zuwenig Schwarz - so können nur Dortmunder Borussen denken, die im Hier und Jetzt leben, vielleicht noch in der jüngeren Vergangenheit, die sich als Hüter der Tradition ausgeben, ohne sie wirklich zu kennen. Das aktuelle Trikot mit den weißen Längsstreifen geht zurück auf ein Hemd, das Dortmunder Spieler in der Gründerzeit vor fast hundert Jahren trugen. Mancher hält das neue für das schönste BVB-Trikot der zurückliegenden Dekaden. Neue Kreativität Die Gründe sind mannigfaltig. Den einen gefällt das frische Design, andere berauschen sich an der Botschaft des Ausrufezeichens. Gestaltet hat den (Auf-)Druck der Maler Otmar Alt. Beim Entwurf des Trikots ließ der Künstler sich von einem seiner eigenen Werke inspirieren. Das Rufzeichen geht auf ein Bild zurück, das Alt für die erfolgreiche Bewerbungskampagne Essens als Kulturhauptstadt Europas 2010 geschaffen hat. Vierzig Kilometer östlich wollen Kunst, Kicken und Kommerz in einer konzertierten Aktion eine alte Fußballhauptstadt wiederbeleben - mit kreativer Zeichensprache. ""Das Ausrufezeichen gefällt mir gut, besser vor allem als das Fragezeichen, das wir vor achtzehn Monaten noch hätten setzen müssen"", sagt Watzke. Zu jener Zeit stand Borussia Dortmund vor der Insolvenz. ""Aber jetzt sind wir wieder da"", sagt der Geschäftsführer. Dahinter ein Rufzeichen.