Jeder gegen jeden beim BVB
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Küchenpersonal und Kellner des Dortmunder Edel-Italieners ""Il Golfo"" legten eine Nachtschicht ein. Alexander Frei (27) erschien mit Freunden zu einem späten Abendessen, auch das unbegreiflich schlechte 1:1 gegen Bochum hatte dem schweizer Stürmer den Appetit nicht verdorben. Schließlich liege es in seinem Charakter begründet, ""positiv durch die Welt"" zu gehen, und dafür, dass die Borussia derzeit in Spott, Häme und Ironie getunkt wird, kann er ohnehin kein Verständnis aufbringen. Immerhin habe der BVB nach der letzten Aussprache vier Punkte eingesammelt. Am Samstag tagte der Dortmunder Debattierklub wieder. Die dritte Krisensitzung binnen weniger Wochen. Dauer 40 Minuten. Erst redete Kapitän Christian Wörns (34), dann Trainer Bert van Marwijk (54), am Ende noch Sportdirektor Michael Zorc (44). Die Luft knisterte. Zorc geißelte die ""jämmerlichen Erklärungen"" für die schlimmen Aussetzer der Dortmunder Stars, mit schneidender Stimme forderte er sie auf, sich auf das zu beschränken, ""wofür sie da sind"" - und ansonsten die Klappe zu halten, ""auf gut Deutsch"". Wörns hatte sie nicht gehalten. Und Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke (47), den er nicht namentlich erwähnte, aber ohne jeden Zweifel meinte, eine Mitverantwortung am Kraut- und Rübenfußball der Borussia gegeben. Unnötige, von Vereinsseite hereingetragene Unruhe erschwere die Arbeit der Mannschaft, maulte Wörns. Es passte ins Bild. Ein Bild des Jammers und der Selbstzerfleischung. Watzke gegen van Marwijk, der für fußballerische Stagnation und erlebnisarme Heimauftritte (38 Spiele, 17 Siege) geradestehen muss, van Marwijk gegen Watzke, der sich rauszuhalten habe, Teile der Mannschaft gegen den Trainer, der sich in Spielerkreisen dem Vorwurf der Ungleichbehandlung ausgesetzt sieht und nach Philipp Degen offenbar jetzt Frei zur ständigen Projektionsfläche für seinen Unmut macht, und schließlich der Kapitän gegen Watzke. Dortmunds führende Köpfe verzetteln sich in einem sinnlosen Kleinkrieg. Dass Wörns einen Zusammenhang konstruierte zwischen dem anarchischen Durcheinander auf dem Platz, wo offenbar jeder BVB-Profi den anderen mit immer neuen grotesken Fehlern zu überbieten trachtete, und kritischen Kommentaren des Geschäftsführers, nahm der Ex-Nationalspieler inzwischen reumütig zurück. ""Solche Aussagen stehen mir nicht zu, sie waren nicht besonders glücklich"", sagte Wörns, ""ich bin weit über das Ziel hinausgeschossen."" Noch in der Nacht zum Samstag hatte Watzke den Kapitän telefonisch in scharfer Form zurechtgewiesen. Wörns steht auf der Seite des Trainers, er solidarisiert sich mit ihm, verkennt aber (wie van Marwijk auch), dass sich innerhalb des Kaders längst eine starke Strömung gegen den dünnhäutigen Fußballlehrer gebildet hat. Van Marwijks Zuneigungswerte sinken, auch die Geschäftsführung beobachtet ihn zunehmend kritisch, der lange Zeit hymnisch verehrte Holländer spürt erstmals die Vergänglichkeit des (beruflichen) Seins. Nach zwei Jahren, in denen van Marwijk magere Resultate unter Hinweis auf die Widrigkeiten seines Jobs im wirtschaftlich darbenden Dortmund relativieren konnte, gilt jetzt ein neuer Bewertungsmaßstab seiner Arbeit. Ein viel strengerer. Seine Spieler in der Woche vor der Partie gegen Bochum nur zweimal auf den Platz zu bitten, erwies sich als fatales, grundfalsches Signal. Unbewusst suggerierte van Marwijk den Dortmunder Stars, dass sie das gerade von Werder überfahrende Schlusslicht Bochum auch mit geringem Aufwand bezwingen würden. Entsprechend träge und fahrig bewegte sich die BVB-Belegschaft auf dem Rasen - um dort ein furchtbares, sinnfreies Gestochere zu veranstalten. Morgen, Dienstag, kommt Hannover. DFB-Pokal. Ob im Falle einer Niederlage der Baum brennen wird? ""Davon"", sagt Wörns, ""kann man ausgehen"". Es steht viel auf dem Spiel. Noch mehr als sonst. Für den schon jetzt angezählten van Marwijk dürfte es der Arbeitsplatz sein.