´Dortmund ist meine letzte Chance´

Was in den nächsten Monaten auf dem Spiel steht, weiß der ehemalige Herthaner Kevin-Prince Boateng (21), der als Leihgabe von Premier-League-Klub Tottenham Hotspur nun bei Borussia Dortmund gelandet ist. Es geht um seine Karriere. Dafür zeigt er Reue und Einsicht. Aber werden seinen Worten auch Taten folgen? kicker: Beim Playstation-Turnier der Borussia bildeten Sie gemeinsam mit Nuri Sahin bis zum Halbfinal-K.o. gegen Neven Subotic/Alex Frei gleich ein Dream-Team. Könnte das auch auf dem Platz so funktionieren, Herr Boateng? Kevin-Prince Boateng: Warum nicht? Wir kennen uns. Ich weiß, wie Nuri spielt, und er weiß, wie ich spiele. kicker: Sahin sagt: Ich leg ihm auf, er macht sie rein. Boateng: Oder andersherum. Wie beim ersten Tor im Test gegen Osnabrück. kicker: Jürgen Klopp suchte einen Spieler, der ""möglichst günstig, aber weltklasse"" sein sollte. Was sind Sie - einfach nur günstig, weltklasse oder sogar beides? Boateng: Dortmund hat ein bisschen was zahlen müssen, und weltklasse bin ich noch lange nicht. Aber ich werde alles geben, um dem Verein zu helfen. kicker: Verknüpfen Sie speziell mit Klopp große Hoffnungen, weil er ein gewisses Geschick darin zeigt, schwierige Typen wieder in die Spur zu bringen? Boateng: Ich kenne meinen Ruf, dass ich ein verrückter Spieler bin. Klopp ist für mich die beste Option in Deutschland. Wir haben uns nach meiner Ankunft in Marbella auf Anhieb gut verstanden. kicker: Wie kommt es, dass die Chemie zwischen Klopp und Ihnen sofort stimmte? Boateng: So etwas passiert einfach im Leben. Man trifft einen anderen Menschen, und man kommt auf Anhieb super miteinander klar. Bei uns hat es sofort gefunkt. kicker: Warum mit ihm - und mit Martin Jol, Juande Ramos oder Harry Redknapp bei Tottenham Hotspur nicht? Boateng: Auf dem Platz arbeitet Klopp konzentriert und gewissenhaft. Wenn etwas nicht funktioniert, gibts schon mal einen Anschiss. Außerhalb ist er ein lockerer Typ. Mit ihm kann man auch mal lachen. kicker: Das konnten Sie zuletzt in England nicht. In der Premier League kamen Sie nur einmal, am 30. November gegen Everton (0:1), und das auch nur eine Viertelstunde, zum Einsatz. Wie sehr fehlt Ihnen die Spielpraxis? Boateng: Training und Spiel kann man nicht miteinander vergleichen. Spielpraxis zu sammeln, ist für mich jetzt das Wichtigste. kicker: Vor dem Pokalspiel gegen Bremen bleiben Ihnen nur noch die Tests gegen Gladbach und Braunschweig. Reicht das? Boateng: Es ist nicht viel, aber ich kann in diesen beiden Spielen trotzdem schnell lernen, wie die Mannschaft agiert. kicker: Wie ist Ihr Eindruck von den neuen Kollegen? Boateng: Alle spielen Fußball. Das ist kein Gebolze. Dortmund hat eine technisch gute Mannschaft. kicker: Sie selbst treten bescheiden und höflich auf. Erleben wir einen anderen als den wilden, abgehobenen, unzähmbaren Boateng beim BVB, einen geläuterten, einen ""geerdeten"", wie Sportdirektor Zorc meint, eben einen neuen? Boateng: Keinen neuen. kicker: Aber Sie wirken so. Boateng: Klopp meint: Ich hätte mich nicht verändert, sondern entwickelt. Damit bringt er es genau auf den Punkt. kicker: Inwiefern? Boateng: In London und Berlin habe ich viele Fehler gemacht. Dann kam eine Phase, in der ich viel nachgedacht und mit meinem Berater (Jörg Neubauer, die Red.) gesprochen habe. Er hat mir sehr geholfen. Ich habe mich letztendlich gefragt: Wo willst du hin, was ist dein Ziel? Dortmund ist jetzt eine Superchance für mich. kicker: Denken Sie, dass diese Superchance auch schon Ihre letzte Chance sein könnte? Boateng: Für meinen Kopf ist das so. Ich denke, dass Dortmund für mich meine letzte Chance ist. Ich weiß nicht, ob ich noch eine kriege, wenn ich sie nicht nutze. kicker: Wie packen Sie es an? Boateng: Fußballerisch, indem ich 100 Prozent gebe. In allen Trainingseinheiten. In jedem Spiel. Das habe ich früher nicht immer gemacht. kicker: Und charakterlich? Boateng: Indem ich mich zurücknehme. kicker: Kriegen Sie das hin? Boateng: Davon bin ich überzeugt. kicker: Der ""Tagesspiegel"" in Berlin schrieb: ""Einen bügelfreien Boateng bekommt die Bundesliga nicht zurück"". Verstehen Sie diese Zweifel? Boateng: Meinen Kern kann man nicht ändern. Ich werde nicht immer stramm stehen und ""Ja"" und ""Amen"" sagen. Aber es wird in Dortmund einen Boateng geben, der pünktlich ist, der für seine Mannschaft da ist und allen mit Respekt begegnet. kicker: Wie wichtig ist ein guter Ruf für einen Fußballer? Boateng: Sehr wichtig. Ich bin in viele Sachen geschlittert, deren Tragweite ich nicht abschätzen konnte. Ich weiß, dass ich Fehler gemacht habe. Aber noch mal: Ich werde daran arbeiten, dass mein Ruf besser wird. kicker: Schon im vorigen Sommer hatten Sie Angebote aus Dortmund und Stuttgart. Wie groß war die Enttäuschung, dass Tottenham Sie nicht ziehen ließ? Boateng: Ich saß schon auf gepackten Koffern. Ich war sehr traurig in dieser Phase. kicker: Ihr Vertrag läuft zunächst einmal nur bis zum 30. Juni. Sehen Sie die Perspektive, dass aus dem kurzfristigen ein langfristiges Engagement werden könnte? Boateng: Ich konzentriere mich erst einmal auf diese sechs Monate. Was danach kommt, werden wir sehen. Wenn ich gut spiele, hoffe ich, dass ich ab 1. Juli fest vom BVB engagiert werde. kicker: Um, wie Sie vor einer Woche in Marbella formulierten, ""Europa anzugreifen""? Boateng: Die Möglichkeit, dass wir uns für den UEFA-Cup qualifizieren, besteht. Wir haben eine sehr gute Mannschaft. kicker: Die haben hinter Dortmund platzierte Klubs wie Schalke oder Bremen auch. Und noch bessere finanzielle Möglichkeiten. Boateng: Egal, bei uns stehen in allen Mannschaftsteilen Superspieler. Wenn jeder an seine Grenzen geht, an sich und an den Verein glaubt, können wir Europa schaffen. kicker: Dann müssten Sie Ihrem Ex-Klub Hertha BSC unter Umständen wehtun. Boateng: Das ist Fußball. Natürlich habe ich zu den Berlinern noch einen Superkontakt, doch jetzt sind sie unsere Gegner. kicker: Trotz verschwindend geringer Einsatzzeiten auf der Insel bezeichnen Sie England als ""gute Schule"". Von welchem Tottenham-Star konnten Sie sich etwas abschauen? Boateng: Da gibt es mehrere. kicker: Wen zum Beispiel? Boateng: Das Erste, was du in England machen musst, ist, rückwärts zu denken. Inspiriert hat mich Ledley King, ein toller Verteidiger mit glänzendem Stellungsspiel. kicker: Was ist mit Luka Modric? Boateng: Mit überragenden Fußballern wie ihm oder mit Dimitar Berbatov zu trainieren, macht Riesenspaß. Den hat man sogar, wenn man ihnen nur zuschaut. kicker: Könnte durch Ihre Rückkehr in die Bundesliga auch die U-21-Europameisterschaft im Sommer noch einmal ein Thema werden? Boateng: Das wird Horst Hrubesch entscheiden. Ich werde alles dafür tun, auch wieder für Deutschland aufzulaufen.