Stiller Abschied von Klos

Er war Stammtorwart in Dortmund und Glasgow, doch anerkannt worden ist die Klasse von Stefan Klos nie so richtig. Jetzt beendet der Keeper seine Karriere in Schottland. Nach achteinhalb Jahren bei den Rangers hat sich Stefan Klos entschieden, nie wieder im schottischen Regen zu stehen. "Stefan Klos, der im August 36 Jahre alt wird, kommt gerade aus der Schule. Sie wollten ihn den Recyclingprozess lehren, ""wohin mit Dosen und Flaschen, was aus Altglas wird"", und er hat höflich geschwiegen, dass ihm das meiste schon bekannt war. Die Klasse des ältesten seiner vier Kinder, des 11-jährigen Jari, führte ein kleines Lehrstück zum Thema Umweltschutz auf. Alle paar Wochen sind die Eltern zu solchen Vorführungen in die Schule von Helensburgh bei Glasgow geladen. Klos war im sechsten Schuljahr seines Sohnes zum ersten Mal dort. So beginnt sein neues Leben. ""Früher musste ich ja immer ins Training, wenn eine Schulvorführung war."" Er sagt: früher. Er fühlt es noch nicht: dass es vergangen ist. Es ist erst vier Tage her, dass für Klos nach 17 Jahren als Profitorwart von Borussia Dortmund und den Glasgow Rangers die letzte Saison zu Ende gegangen ist. Ein, zwei Fußballern pro Spieljahr, wie nun Mehmet Scholl, ist ein Abschied mit der verdienten Aufmerksamkeit vergönnt. Die meisten jedoch sind auf einmal einfach weg. In keinem Moment offenbart sich der brutale Kern des Profisports deutlicher als beim Abschied: Für Meister von gestern bleibt wenig Zeit. Das Publikum hat die Augen schon wieder auf den Besten von heute. Der deutsche Fußball hat Stefan Klos viel zu oft übersehen, um so trauriger wäre es, wenn er unbesungen ginge. Er, ein Junge aus Dortmund, wurde mit dem Klub seiner Stadt 1997 Champions-League-Sieger. Er war über ein Jahrzehnt einer der fähigsten deutschen Torhüter, einmal, 2003, als Oliver Kahn unter dem Trauma des Posttitanentums litt und Jens Lehmann bei Arsenal flatterte, gab es gar keinen besseren im Land. Kein deutscher Fußballer, der in den letzten zehn Jahren ins Ausland ging, wurde dort so populär wie er. Dass dies in Deutschland kaum jemand bemerkte, ist nur eine Ironie. Einer der dienstältesten Ranger Achteinhalb Jahre spielte er für die Rangers. ""Länger im Verein sind nur der Zeugwart und eine Sekretärin"", weiß Klos. Sie beriefen ihn zum Kapitän, was in Britannien kein Amt ist, sondern ein Ritterschlag. Seine Paraden waren explosiv, atemraubend und doch sachlich. Wer sie gesehen hat, vergisst sie nicht, etwa in der Champions League Auge in Auge gegen Stuttgarts Aljaksandr Hleb. Und mehr als einen Abschied, der so still war, dass man ihn kaum über die Stadtgrenzen Glasgows hörte, hat selbst er nicht gefunden. Zlter zu werden ist im Fußball selten ein Vergnügen. Verletzungen und der Wille eines Trainers haben Klos in seinen letzten zwei Jahren nur noch fünf Partien gestattet. Nachdem 2005 die Kreuzbänder im Knie gerissen waren, trainierte er härter denn je, nur um bei seiner Rückkehr festzustellen, dass Trainer Alex McLeish die Torwache weiterhin seinem Vertreter anvertraute, dem Niederländer Ronald Waterreus. ""Ich war nicht sauer"", sagt Klos, ""ich war"", er lacht, ""na ja, sauer halt."" Während die Rangers ihre schlechteste Saison seit Jahrzehnten ablieferten und Waterreus in der Kritik stand, verfestigte sich bei Klos der Gedanke: Wenn die glauben, mich hier nicht zu brauchen, brauche ich sie auch nicht mehr. Die meisten hätten den Verein gewechselt. Er lehnte die Angebote ab, etwa von Aston Villa. Er hatte sich entschieden: Dann beende er bei Vertragsschluss 2007 halt die Karriere. ""Ich habe über 600 Spiele für Borussia und Rangers gemacht, für zwei sehr besondere Klubs, da brauchte ich wegen 30 Spielen mehr oder weniger nicht noch die ganze Familie zum Umzug zwingen. Ich kann auch stur sein."" Als Trainer McLeish und sein Torwart Waterreus 2006 gehen mussten, schien alles für ein letztes großes Jahr bereitet. Im Sommerurlaub fuhr Klos Fahrrad, ein Fußgänger kam ihm in die Quere, Klos bremste scharf, flog kopfüber vom Rad und brach sich die Schulter. Vier Monate im Krankenstand waren lange genug, um zu erkennen: Sie warten nicht mehr auf dich. Er sagt: ""Meine Karriere war trotzdem super. Es wäre schön, wenn jeder Fußballer so eine tolle Karriere wie ich hätte."" Und man glaubt ihm, dass da keine Bitterkeit, wenig Wehmut ist. Nur, er hätte ein anderes Ende verdient. Wie Klos seine Zukunft plant Er wird mit seiner Familie in die Nähe von Zürich ziehen. ""Als Fußballer bin ich zwar alt, aber sonst sind wir doch noch jung genug, etwas Neues zu probieren."" Seine Frau und er wollten für die Kinder ein deutschsprachiges Umfeld, aber eine englische Schule. Die vier Kinder sind ja praktisch Schotten. Sie haben nie auf Deutsch schreiben gelernt. Er ist finanziell unabhängig, er sagt, er habe keine konkreten beruflichen Ziele, und das klingt bei ihm nicht arrogant, sondern so, wie er ist: zurückhaltend und uneitel. Einmal noch sollte er spielen, im letzten Heimspiel. Kurz davor riss im Training etwas im Daumen. So trat er nur kurz auf den Platz und winkte. 50.000 in Ibrox applaudierten stehend und entrollten ein Plakat. Dort stand auf Deutsch: ""Stefan Klos ist wunderbar"". Klos erwähnt das Plakat mit keinem Wort, als man ihn fragt, wie der Abschied war."