Die guten Sitten über Bord geworfen

Thomas Doll hat sich den Tritt seines Spielers ""Kuba"" Blaszczykowski gegen den Bremer Dusan Tosic zig-mal in den diversen TV-Bundesliga-Sendungen anschauen müssen. ""Das sah böse aus. Da hatten wir Glück"", sagte er ehrlich. Der Fußball-Lehrer ist deshalb nicht zur Tagesordnung übergegangen und hat den Neuzugang aus Krakau in einem Vier-Augen-Gespräch um Aufklärung gebeten. ""Er wollte den Ball wegspitzeln, kam aber einen Schritt zu spät und konnte nicht mehr bremsen. Kuba ist nicht der Typ Spieler, der absichtlich foult"", interpretierte Doll dessen Oberschenkel-Angriff. Der Dortmunder Fußball-Lehrer ist ""gebranntes Kind"". Im vergangenen Jahr beim Hamburger SV, erinnert er sich, habe er ""beinahe mehr über Disziplin geredet als über Fußball."" Um das beim BVB auszuschließen, kündigt er an, sich mit der Mannschaft über das Thema Zweikampf-Aggressivität ""eindringlich auszutauschen"". Die letzten Brutalo-Szenen verurteilt Doll aufs Schärfste. ""Das Schlimmste sind die Fouls im Verborgenen, hinter dem Rücken der Schiedsrichter. Viele Sachen, die da ablaufen, gehören sich nicht. Es sieht so aus, als müssten manche Spieler ihre Familie auf Leben und Tod verteidigen."" Zum Beispiel Thimothee Atouba, sein ehemaliger HSV-Schützling. Der Abwehrspieler, wie Kollege Guy Demel ""Wiederholungstäter"", hatte schon gegen den FC Bayern - ungeahndet von Schiedsrichter Florian Meyer - alle guten Sitten über Bord geworfen und jüngst in Frankfurt zwei Mal böse zugelangt. Zunächst rammte Atouba nach Albert Streits Provokation dem Eintracht-Profi den Ellbogen ins Gesicht, dann trat er auf seinen früheren Mitspieler Mehdi Mahdavikia. Streit wie Atouba sind morgen zu einer mündlichen Anhörung vor dem DFB-Kontrollausschuss als Zeuge wie Angeklagte geladen. Schiedsrichter Manuel Gräfe hatte den von den TV-Kameras festgehaltenen Zweikampf nicht gesehen. Deshalb kann der DFB gegen beide Spieler wegen ""krass sportwidrigen Verhaltens"" ermitteln. Anders als gegen den Dortmunder Jakub Blaszczykowski, dessen rüdes Einsteigen Schiedsrichter Peter Sippel mit einer Gelben Karte bestraft und damit eine Tatsachenentscheidung getroffen hatte. Der DFB darf sie - laut FIFA-Rechtssprechung - nicht außer Kraft setzen. Auch gegen den Bremer Naldo, der im Spiel gegen den FC Bayern durch eine brutale und von Schiedsrichter Markus Merk mit einer Verwarnung gesühnten Attacke gegen Miroslav Klose auf sich aufmerksam gemacht hatte, sind der Verbandsgerichtsbarkeit die Hände gebunden. Denn Peter Sippel, der Unparteiische aus München, sprach den Bremer Abwehrspieler, der auf Blaszczykowskis Oberschenkel getreten hatte. von Schuld frei. Er bewertete diese Aktion - so die offizielle Pressemitteilung des DFB - ""als einen normalen Schritt und Bewegungsablauf"". Eine doch sehr eigenwillige Wahrnehmung, die für Sippel vermutlich nicht ohne Folgen bleiben wird. DFB-Schiedsrichterchef Volker Roth hat den DFB-Unparteiischen in ähnlichen Fällen eine Denkpause verordnet. Auch der Münchner darf sich nach WR-Informationen die nächsten Bundesliga-Spiele am TV-Gerät anschauen. FIFA-Schiedsrichter Herbert Fandel, gleichzeitig Kollegensprecher, fordert: ""Wir müssen hammerhart durchgreifen, wenn eine Attacke klar gegen die Gesundheit des Gegenspielers geht. Um dieser Unsitte Herr zu werden, hilft nur die Rote Karte."" Sippel hatte sie nur gegen den Bremer Leon Andreasen gezückt - für ein vergleichsweise harmloses Nachtreten gegen Marc Kruska. Der Däne wurde für drei Spiele gesperrt.