BVB entdeckt sein Kämpferherz zu spät

Die Serie riss an der Spree: Nach zuvor drei aufeinander folgenden Siegen kassierte der BVB am sechsten Spieltag der Fußball-Bundesliga eine vermeidbare 2:3 (1:1)-Niederlage bei Hertha BSC und muss sich vorerst aus dem oberen Tabellendrittel verabschieden. Mladen Petric erzielte das erste und das letzte Tor in einer zunächst mäßigen, später dramatischen Partie, die Hertha unterm Strich verdient gewann. Vor 52.000 Zuschauern im Olympiastadion war der BVB nach einer halben Stunde durch einen sehenswerten Weitschuss von Petric in Führung gegangen. Doch Pantelic (43.), Lucio (55.) und Okoronkwo (76.) nutzten schwere Abwehrfehler und drehten mit ihren Treffern die Partie. Borussia hatte zwar in der Schlussphase viele Chancen, doch Petric gelang nur noch das 2:3 (88.). Erstmals seit April 2005 gelangen den Berlinern drei Siege in Folge - Platz eins für die Hertha zumindest bis Sonntag Abend. Ausgangslage: Der Fünfte gegen den Vierten. Das Spitzenspiel der sechsten Runde fand im Olympiastadion von 1936 statt. Nur das Torverhältnis trennte die beiden Klubs, die zuvor jeweils drei Mal gewonnen hatten. Hertha siegte in den beiden Heimspielen gegen Stuttgart (3:1) und Wolfsburg (2:1), außerdem letzte Woche in Duisburg (2:1). Der BVB hatte seit März unter Trainer Doll die Hälfte aller Auswärtsspiele gewonnen, zuletzt 1:0 in Rostock, und war in den letzten drei Jahren in Berlin ohne Gegentor geblieben (1:0, 0:0, 1:0). Personalien: Neben dem angekündigten Torwartwechsel (Weidenfeller für Ziegler) musste Doll noch eine weitere Znderung vornehmen: Degen war wegen anhaltender Beschwerden im Adduktorenbereich in Dortmund geblieben, Kruska kam neu in die Mannschaft. Hertha spielte mit der gleichen Elf, die zuletzt 2:1 in Duisburg siegreich war. Taktik: Beide Mannschaften traten in einem 4-4-2-System an, allerdings mit deutlichen Unterschieden im Mittelfeld. Während dieser Mannschaftsteil beim BVB wie gewohnt rautenförmig angeordnet war (allerdings mit zwei Umbesetzungen nach dem Degen-Ausfall), traten die Berliner mit offensiv besetzten Flügeln und zwei Absicherungen vor der Abwehr (""Doppel-Sechs"") an. Borussia interpretierte dies bemerkenswert offensiv. Nicht die beiden Spieler auf den Halbpositionen (links Tinga, rechts Kuba) rückten nach außen, um die Berliner Ebert und Lucio zu übernehmen, sondern die Außenverteidiger (Kringe, Dede) übernahmen überwiegend diesen Part, so dass die Abwehr ""Mann gegen Mann"" agierte: Im Zentrum trafen Brzenska und Wörns auf die beiden Hertha-Spitzen Lima und Pantelic. Somit ergab sich nominell ein Übergewicht in der Offensive, das die Berliner ihrerseits dadurch zu kompensieren versuchten, in dem ihre Außenverteidiger (Chahed, Fathi) mitunter vorrückten ins Mittelfeld. Spielverlauf & Analyse: Die Hertha, die nur eines der letzten sechs Spiele gegen Borussia gewinnen konnte, begann recht schwungvoll, trug ihre Angriffe zunächst vorwiegend über die linke Seite mit den beweglichen Gilberto und Lucio vor und hätte schon nach 40 Sekunden erstmals jubeln können: Nach Kruskas Fehlpass gelangte der Ball zu Ebert, doch Weidenfeller konnte den Schuss des Berliner bravourös entschärfen. Mit einem Versuch von Lima in der zehnten Minute beendeten die Gastgeber aber auch schon recht früh ihre erste Drangphase. Borussia bekam das Spiel in den Griff, aber kaum zum Abschluss, weil die Angriffsversuche zu langsam und für die Berliner Deckung viel zu durchsichtig vorgetragen wurden. Kuba verzettelte sich auf der rechten Seite häufig, insgesamt war viel zu wenig Bewegung im Spiel ohne Ball. Herthas Defensive präsentierte sich dagegen wie schon in den ersten Saisonspielen sehr stabil. Die optische Dominanz in einem Spiel auf sehr mäßigem Niveau wechselte im Zehn-Minuten-Takt. Keine Elf konnte ihr Spiel für eine längere Zeit durchsetzen, dennoch nahm die Zahl der Strafraumszenen nun zu. In erster Linie deshalb, weil die Borussen ihren Gegenspielern die Aufgabe recht leicht machten. Ebert kam in der 27. Minute frei zum Abschluss und drosch das Leder nur knapp am linken Pfosten vorbei. Zwei Minuten später reagierte Weidenfeller sensationell gegen Pantelic, den gefährlichsten Berliner in dieser Saison. Und Borussia? Federico versuchte es aus halbrechter Position (21., vorbei), Petricï Schuss aus sieben Metern wurde abgeblockt (24.). Und dennoch gingen die Schwarzgelben in Führung: Kuba hatte einen Pass in Petricï Rücken gespielt, der Kroate musste sich das Leder am Strafraum erst zurück holen, sah keine Anspielstation und zog stattdessen aus 22 Metern fast aus dem Stand ab - und traf rechts in den Winkel (31.)! Hertha-Keeper Drobny, der gegen die tief stehende Sonne schauen musste, sah bei diesem Treffer nicht gut aus. Rein statistisch gesehen sprach ab diesem Zeitpunkt vieles für den BVB, der im Olympiastadion nur ein Mal (1971) nach einer eigenen Führung als Verlierer vom Platz gegangen war. Zweitens: Seit August 2006 hatte Borussia nach einem 1:0 jedes Auswärtsspiel gewonnen. Drittens: In dieser Saison siegte in Spielen mit Beteiligung des BVB immer die Elf, die das erste Tor schoss. Soweit die Theorie... Die etwa 6.000 BVB-Fans jedenfalls feierten diesen Treffer enthusiastisch, denn ein Blick auf die ""Blitztabelle"" wies Borussia Dortmund um 16.01 Uhr erstmals seit Mai 2002 als Tabellenführer aus. ""Deutscher Meister wird nur der BVB!"", donnerte es durch das weite Rund. Allerdings nur gut zehn Minuten lang. Hatte Weidenfeller in der 34. Minute nochmals glänzend gegen Pantelic parieren können (zuvor hatte Kringe Simunicï Schuss aus 14 Metern abgeblockt), war er zwei Minuten vor dem Pausenpfiff geschlagen: Ebert hatte einen von Brzenska verursachten Freistoß in die Dortmunder Mauer geschlagen, niemand auf Pantelic aufgepasst, Weidenfeller bekam zwar noch einen Arm an den Ball, konnte den Einschlag aber nicht mehr verhindern. Für den BVB war es das erste Gegentor an der Spree seit Mai 2004. Hertha kam mit Oberwasser aus der Kabine, hatte zunächst nur eine brenzlige Situation bei Klimowiczï Schuss zu überstehen (51.), und ging neun Minuten nach Wiederbeginn mit 2:1 in Führung. Pantelic war auf dem rechten Flügel durchgebrochen, Weidenfeller hatte den scharfen Schuss des überragenden Berliners zwar abwehren können, doch niemand war bei Lucio, der das Leder unbedrängt über die Linie drücken konnte. Der BVB wäre beinahe postwendend zurück gekommen: Petric zog einen Freistoß aus über 30 Metern nur knapp am Hertha-Tor vorbei. Borussia erarbeitete sich in der Folge zwar mehr Chancen als zuvor, ohne aber als Mannschaft überzeugen zu können. Das System wurde geändert (""Doppel-6"", offensiv besetzte Flügel), Buckley kam und bediente sofort Petric, der Pech hatte im Abschluss (65.). Dann wühlte sich Klimowicz allein durchs Zentrum, tauchte im Strafraum auf, wurde dann aber abgedrängt und traf nur das Außennetz (70.). Unmittelbar danach war Schluss für den Argentinier. Valdez sollte die Offensive beleben, doch sein Schuss wurde abgeblockt (71.), kurz darauf parierte Drobny glänzend (77.). Eine von sechs Chancen für Marko Pantelic: Roman Weidenfeller ist auf dem Posten. Zwischenzeitlich aber hatte die Hertha, die zwei Mal vergeblich einen (durchaus vertretbaren) Strafstoß reklamiert hatte, durch den Sekunden zuvor eingewechselten Okoronkwo das 3:1 erzielt. Der 20-Jährige spielte dabei die halbe Abwehr aus und vollendete cool (76.). In der Schlussphase überschlugen sich die Ereignisse: Der BVB hatte sein Kämpferherz wiederentdeckt und rannte unentwegt auf das Brandenburger Tor zu. Doch erst Petric brach nach Buckleys feinem Zuspiel den Ball und verkürzte in der 88. Minute auf 2:3. Buckley hatte dann sogar noch zwei Mal den Ausgleich auf dem Fuß, beide Male war er von rechts in den Berliner Strafraum eingedrungen und hatte mit links abgeschlossen. Doch zunächst parierte Drobny (90.), dann - in der Nachspielzeit - fehlten nur die berühmten Zentimeter... Ausblick: Bereits am kommenden Dienstag steht die nächste Aufgabe für die Borussen auf dem Spielplan: Ab 20 Uhr gastiert der Hamburger SV im Signal Iduna Park. Karten für dieses Spiel können Sie bis zum Spieltag bequem online bestellen und - wenn gewünscht - per ""Print @ Home"" auch am eigenen PC ausdrucken. Der BVB wird weiterhin Degen ersetzen müssen.