Endspiel vor Gericht

Kronzeuge Hoyzer hofft auf Bewährung - Geständnis von Marks wahrscheinlich Zweimal pro Woche durchbricht Ante Sapina die quälende Monotonie des Haftalltags in der Justizvollzugsanstalt Moabit. Seit achteinhalb Monaten nimmt der 29jährige Kroate jeden Termin beim katholischen Anstaltspfarrer wahr und vertraut sich ihm an. Menschlichen Beistand kann er gebrauchen, denn als einziger der in den deutschen Schiedsrichterskandal verstrickten Beteiligten sitzt Sapina noch in Untersuchungshaft. In den kommenden Wochen bestimmen zwei weitere Termine den Tagesablauf des Kroaten. Von heute an jeweils dienstags und donnerstags wird er aus der JVA Moabit durch das verwinkelte Tunnelsystem in das benachbarte Berliner Kriminalgericht an der Turmstraße geleitet. Um kurz vor zehn Uhr wird er aus dem Tunnel in den Saal 500 treten. Dort beginnt unter dem Vorsitz von Richterin Gerti Kramer der Prozeß gegen ihn, seine Brüder Milan (40) und Filip (37), die Schiedsrichter Robert Hoyzer (26) und Dominik Marks (30) sowie den ehemaligen Fußballprofi Steffen Karl (35). Der Vorwurf gegen alle sechs Beteiligten: ""Banden- und gewerbsmäßiger Betrug"". Außerdem werden Hoyzer, Marks, Karl und Ante Sapina der ""Verbrechensabrede"" bezichtigt. Es geht um 23 Spiele, die im Jahr 2004 manipuliert wurden oder werden sollten - vorwiegend in der Zweiten Liga und der Regionalliga, aber auch im DFB-Pokal und in der Bundesliga. Das Strafmaß liegt zwischen sechs Monaten und zehn Jahren. 6000 Seiten umfassen die Ermittlungsakten, allein die Anklageschrift hat 290 Seiten, 170 Zeugen sind aufgelistet. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat reagiert, die Sportgerichtsverhandlungen wurden bereits im Frühjahr abgeschlossen. Hoyzer erhielt eine lebenslange, Marks eine Sperre auf unbestimmte Zeit. Auch werden jetzt die Schiedsrichter für die Spiele der Bundesliga und der Zweiten Liga erst zwei Tage vorher benannt, so sollen mögliche Manipulationsversuche erschwert werden. Außerdem ist der DFB eine Kooperation mit der Wettkontrollorganisation Betradar eingegangen. Betradar ist so etwas wie der Geheimdienst der internationalen Wettbörsen, das norwegische Unternehmen kann Quotenbewegungen analysieren und Auffälligkeiten sofort weitergeben - an Wettbüros in allen Erdteilen, aber auch an den DFB oder den Ligaverband. Mit der Zusammenarbeit sollen auffällige Wetten schnell erkannt werden. Als weitere Konsequenz aus dem Wettskandal sind die Verträge der Spieler geändert worden. Sie verpflichten sich künftig, nicht am Wettbetrieb teilzunehmen. Und, schließlich, erhielt der Hamburger SV nach dem manipulierten Pokalausscheiden gegen den SC Paderborn vom DFB als Ausgleich die Einnahmen aus dem Länderspiel gegen China (1:0) vergangene Woche. Für die strafrechtliche Aufarbeitung des Skandals sind diese Maßnahmen allerdings ohne Bedeutung. Im Prozeß werden die Karten neu gemischt, Juristen rechnen auf Grund des umfassenden Geständnisses von Hoyzer, das von den Aussagen Ante Sapinas weitgehend gedeckt wird, nicht mit weiteren Enthüllungen. ""Herr Hoyzer hofft auf eine Bewährungsstrafe"", sagt Anwalt Thomas Hermes und begründet das mit der Kooperationsbereitschaft seines Mandanten und damit, daß er nach Spielmanipulationen wesentlich weniger kassiert habe - 67 000 Euro und einen Plasmafernseher - als Ante Sapina, der rund zwei Millionen Euro einstrich. Auch Ex-Profi Steffen Karl, der nur seine Anwälte reden lassen wird, hofft auf Bewährung. ""Er rechnet nicht mit einem Orden als Wohltäter des deutschen Sports"", sagt Anwalt Andreas Bartholom,, der aber glaubt, den Vorwurf der Bandenmitgliedschaft entkräften zu können. Auch die aktive Manipulation dreier Regionalligaspiele wird bestritten, zudem sollen seine Chemnitzer Mitspieler Karl von dem Vorwurf entlasten, vor dem Spiel in Kiel am 1. Mai 2004 in einem Hotel Bestechungsgeld von Ante Sapina erhalten zu haben. Karl wird nur zugeben, was er bereits gestanden hat: den Anruf bei Torhüter Georg Koch im Mai 2004, der für 20 000 Euro gegen Regensburg ein paar Bälle durchlassen sollte - auf Anregung von Ante Sapina. Der Kroate, in anderen Punkten geständig, bestreitet ausgerechnet diese Episode. Wesentlich für die Dauer des Prozesses wird das Verhalten des Schiedsrichters Dominik Marks sein, der bisher alle Vorwürfe bestritten hat. Nach Informationen der WELT wird er auf Grund der erdrückenden Indizien, darunter vier SMS per Handy an und von Ante Sapina am Tag des laut Anklageschrift manipulierten Spiels zwischen Karlsruhe und Duisburg, gestehen. In den Vernehmungen hatte Marks bestritten, Sapina überhaupt zu kennen.