Mayer-Vorfelders Probefahrt in die Anonymität

"Auf seiner letzten Dienstreise blieb Gerhard Mayer-Vorfelder fast schon unsichtbar. Eigentlich schätzt der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) die Nähe zu den Spielern und den Trainern. Mayer-Vorfelder suchte die Verbindung selbst in ein wenig unpassenden Momenten, wie etwa kurz vor einem WM-Spiel, als er sich auf der Trainerbank niederließ, um noch ein wenig mit Jürgen Klinsmann und Joachim Löw zu plaudern. Viele seiner Funktionärskollegen, so wenig Loyalität muß wohl sein, hatten dafür nur Spott und schüttelnde Köpfe übrig. Mayer-Vorfelder wußte das. Sein Verhalten hat er davon nicht abhängig gemacht. Diesmal, auf seiner letzten Tour in offizieller Mission, verzichtete der Delegationsleiter auf die gemeinsame Anreise im Mannschaftscharter. Er blieb noch einen Tag länger in Stuttgart und reiste mit seiner Familie. Auch auf den Pressekonferenzen der vergangenen Tage tauchte der DFB-Präsident, der ansonsten Gelegenheiten zur Selbstdarstellung ungern verstreichen ließ, nicht mehr auf. Als probte er sein neues Leben ohne Amt und Würden im deutschen Fußball. Am Freitag endet auf dem außerordentlichen Bundestag in Frankfurt seine fünfjährige Präsidentschaft. Aber so ganz verschwunden war Mayer-Vorfelder natürlich nicht. Er hat in den vergangenen Tagen zahlreiche Interviews gegeben, und manchmal konnte oder mochte sich der 73 Jahre alte personifizierte Multifunktionär des deutschen Fußballs dabei der eigenen Wehmut nicht mehr erwehren. Bei einem Gespräch mit einem Rundfunksender aus seiner Region war er den Tränen nah. ""Es ist so, daß man im Bewußtsein lebt, daß ein großer Lebensabschnitt zu Ende geht. Ich habe das schon mal erlebt, als ich in der Politik aufgehört habe. Aber da wußte ich, ich mache im Sport noch weiter. Jetzt ist es so, daß die aktive Phase zu Ende geht, sagt Mayer-Vorfelder. Auch bei der Pressekonferenz zum Arbeitsbeginn von Bundestrainer Joachim Löw und dem Abschied von Jürgen Klinsmann vor zwei Monaten konnte das Fernsehpublikum live erleben, daß ""MV"", wie er seit jeher im Fußball genannt wird, den Fußball nicht nur als Machtinstrument verstand, sondern darin auch persönliche Bindung fand. Als Klinsmann ""von meinem MV"" sprach, der in schweren Zeiten an seiner Seite gestanden habe, erfuhr er eine öffentliche Wertschätzung, wie er sie seit Jahren nicht mehr erlebt hatte. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß ihn sein letzter repräsentativer Auftritt am Mittwoch zur politischen Doppelspitze der Republik San Marino führte. Die beiden sogenannten ""Capitani Reggenti"" stehen dem Kleinstaat nur für ein halbes Jahr vor, eine Gewaltenteilung, die sich in San Marino seit dem Mittelalter bewährt hat und in der Tradition der römischen Konsule steht. Die Zeit der ersten und vermutlich auch einzigen ""Doppelspitze"" im DFB geht dagegen in wenigen Tagen eher unrühmlich zu Ende. Diese vor zwei Jahren geschaffene Konstruktion diente allein dazu, den Einfluß Mayer-Vorfelders zu begrenzen. Im Alltag wurden die Eifersüchteleien und Machtspielchen zwischen dem alten Amtsinhaber und seinem Rivalen Theo Zwanziger immer wieder sichtbar. In den vergangenen beiden Jahren war Mayer-Vorfelder, der sich von seiner Herzoperation mittlerweile gut erholt zeigt, längst nicht mehr der starke Mann innerhalb des DFB wie noch zu seiner Wahl im Frühjahr 2001. Er konnte bei der letzten Zusammenkunft nicht mehr verhindern, daß die Altersgrenze im DFB bei der Präsidentenwahl auf siebzig Jahre herabgesetzt wurde. Wenn ihn die Turbulenzen nach der EM 2004 nicht schon die halbe Macht und ein Jahr der regulären Amtszeit bis 2007 gekostet hatten - im kommenden Jahr wäre seine Präsidentschaft ohnehin zu ihrem Ende gekommen. Große Worte wählt Mayer-Vorfelder, der sich in den vergangenen Jahren vor allem für die Talentförderung engagierte und mit der nationalen Begeisterung bei der WM 2006 seinen größten Wunsch erfüllt sah, über seine Zeit als DFB-Präsident jedenfalls nicht. Er habe ""Spuren im Sand"" hinterlassen, ""keine Zeichen für die Ewigkeit"", sagt er. Die Reibereien in der Führung dauern indes bis zum letzten Tag an. Dem früheren Minister für Kultur und Finanzen in Baden-Württemberg, der sich nicht zu Unrecht vielen seiner Funktionärskollegen an Intellekt, Bildung, Standfestigkeit und Lebensfreude überlegen fühlen durfte, wird auf dem außerordentlichen Bundestag keine weitere Ehrung mit auf den Weg gegeben. In den letzten Tagen hat der polarisierende Präsident mit dem angekratzten Image zwar von Kapitän Michael Ballack ein signiertes Foto der Nationalelf vorm Brandenburger Tor erhalten. ""Danke, Präsident, für die tolle Unterstützung"", stand darauf. Der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger verlieh seinem CDU-Parteifreund am Samstag mit der Großen Staufermedaille in Gold sogar die höchste Auszeichnung des Landes. Aber für seine Amtszeit beim DFB, in der sich Mayer-Vorfelder vor allem für die Talentförderung engagierte, wird es in Frankfurt keine Auszeichnung geben. Der DFB dachte, wie es heißt, an eine Ehrenmitgliedschaft. Mayer-Vorfelder soll jedoch mit der Ehrenpräsidentschaft geliebäugelt haben, mit der sein Vorgänger Egidius Braun bedacht worden ist und die ihm weiter Sitz und Stimme im DFB-Präsidium eingebracht hätte. Mayer-Vorfelder weist solche Vermutungen energisch zurück. Wer ihn ehren wolle, solle das tun, sagt er. Auf Sitz und Stimme käme es ihm nicht an. So wird er nur noch ""in den internationalen Gremien der Fifa und Uefa eine gewisse Zeit tätig sein"", sagt Mayer-Vorfelder. ""Aber die tägliche Arbeit wird zu Ende sein."" Er denkt darüber nach, ein Buch zu schreiben. Er hätte viel zu erzählen."""