Die Erkenntnisse der Revolution

[B]Borussia Dortmunds Sanierungskurs zeitigt deutliche Erfolge[/B] Die Verantwortlichen von Borussia Dortmund hätten allen Grund, mit einem zufriedenen Lächeln durchs Leben zu gehen - gehörte zum Fussball nicht noch das Tagesgeschäft mit all seinen sportlichen Widrigkeiten. Und gäbe es einen Preis für die beste Sanierungsleistung zu vergeben, Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke wäre ein sehr aussichtsreicher Anwärter. Die blossen Zahlen sprechen für sich: Der einstige Chaos-Klub, den Verbindlichkeiten von 120 Millionen Euro drückten, senkte den Verlust im Geschäftsjahr 2005/06 um 74,8 Millionen auf 3,9 Millionen, zwei Kapitalerhöhungen des börsenkotierten Unternehmens flossen in die Schuldentilgung. Deutlich weniger als 30 Millionen wären zum Jahresende nicht unrealistisch. [B]Ein Millimeter-Entscheid[/B] Mit Frei, Valdez und dem Brasilianer Tinga wurde das Kader nach den Abgängen von Koller und Rosicky ordentlich ergänzt, wenngleich die Zugänge bisher den nachhaltigen Beweis ihrer Klasse schuldig geblieben sind: "Wir können keine Transfers tätigen, bei denen wir uns zu 90 Prozent sicher sind, dass sie uns auch voranbringen", sagt Watzke, dessen Credo lautet: "Mein Fussball-Herz hört da auf zu schlagen, wo der ökonomische Verstand einsetzt." Das war nicht immer so in Dortmund. Es sind auch die Erkenntnisse der grossen Revolution aus dem Jahre 2004, die in Watzke ihren Anführer fand. Sie mündete in der Entmachtung des Duos Niebaum/Meier, dem Anflüge von Gigantomanie den Sinn für die Wirklichkeit vernebelten. Auch hier sprachen die Zahlen eine deutliche Sprache, die Insolvenz schien lange unvermeidlich. "Ein Millimeter-Entscheid" (Watzke) war es am Ende, der den Klub im professionellen Fussball beliess. Das Sanierungskonzept griff. Sehr lange debattierte Watzke mit den US-Investmentbankern von Morgan Stanley, die einen Grossteil der Forderungen übernahmen und den Stadion-Rückkauf mit einer Anleihe finanzierten (das Westfalenstadion war aus Geldnot zu schlechten Bedingungen veräussert worden). "Morgan Stanley war sein Meisterstück", sagt einer, und es klingt, als spreche da eine Stimme aus einer ganz anderen Zeit. Sie gehört Reinhard Rauball, der ebenfalls mitgetan hat an der Entschuldung. Ins Amt des Präsidenten hatten sie ihn gedrängt, ihn, der schon zweimal den Vorsitz übernommen hatte, als Borussia das Wasser auf Kinnhöhe stand. Ohne Rauball, sagt Watzke, wäre es keinesfalls gegangen. Der stand für jene Seriosität, die der Klub verspielt hatte. [B]Lukrativer Transfer[/B] Wie eine Wechseldusche sei der Job bei der Borussia in der heiklen Phase gewesen. Das sagte Rauball vor einem Jahr, und wenn man ihn heute fragt, ob es denn die richtige Entscheidung gewesen wäre, sagt er zwei bemerkenswerte Sätze: "Natürlich war es nicht die richtige Entscheidung für mich. Aber ich würde sie wieder so treffen." Manchmal spielt auch der Zufall eine Rolle und beschleunigt die Entwicklung. So hatte Betis Sevilla bei Borussia Dortmund angeklopft und um den Aussenläufer Odonkor geworben, einen limitierten Kicker, der sich dank seinen Sprints an der WM Kultstatus erspielt hatte. Die Summe von sechs Millionen Euro wechselte den Besitzer - und Odonkor den Klub. Ein Transfer wie ein Lottogewinn? Watzke lächelt: "Der Transfer war sicher sehr sinnvoll." Das Duo Watzke/Rauball könnte also alles sehr entspannt sehen. Wäre bloss nicht der Fussball mit all seinen Widrigkeiten. Bert van Marwijk, der Coach, findet in letzter Zeit nicht mehr allzu viel Anklang in der Dortmunder Chefetage. Doch solange der sich kein Debakel leistet, werden sie wohl noch zumindest bis zur Winterpause mit ihm leben müssen. Die Hartnäckigkeit des Fussball-Lehrers ist in der Branche ohnehin bekannt: In Holland hat er all seine Verträge bis zum letzten Tag erfüllt.