´Ein bisschen bekloppt bin ich schon´

Ein gutes Zwischenzeugnis stellt Jürgen Röber den Profis von Borussia Dortmund aus. ""Ich bin davon überzeugt, dass wir eine erfolgreiche Rückrunde spielen. Die Mannschaft ist fußballerisch sehr stark und lernwillig"", erklärte er im Gespräch mit der WR. Über sich selbst sagt der 53-Jährige: ""Mitunter denke ich, dass ich ein bisschen bekloppt bin."" Haben Sie an einen Scherz geglaubt, als Borussia Dortmund Sie erstmals anrief? Schließlich waren Sie in der Bundesliga fast in Vergessenheit geraten. Jürgen Röber: Das war ein schöner Scherz. Aber im Ernst: Ich hatte früher schon Kontakt mit Michael Zorc. Und diese Verbindung ist nie ganz abgerissen. Es ist doch eine reizvolle und schöne Aufgabe, bei einem tollen Verein mit großem Fan-Potenzial und einer guten Mannschaft zusammenzuarbeiten. Sie haben beim BVB einen Halbjahresvertrag unterschrieben. Wissen Sie, dass Sie die Vereinsführung mit einer erfolgreichen Serie in die Bredouille stürzen können? Sie indes haben wenig zu verlieren... Erfolg zu haben, ist doch ein schönes Problem. Aber ich denke, dass er auch für mich wichtig ist, weil ich mich nach zweijähriger Abwesenheit wieder in der Bundesliga präsentieren darf. Ich weiß, was ich kann. In Stuttgart und Berlin, anfangs auch in Wolfsburg, habe ich die Mannschaften nach oben gebracht und bei Partizan Belgrad 17 von 20 Spielen gewonnen und drei Unentschieden gespielt. Manchmal habe ich das Gefühl, ich müsste mich entschuldigen, dass ich eine ganze Zeit hier weg war. Hand aufs Herz: Ist es nicht ein komisches Gefühl, Trainer auf Zeit zu sein? Ich komme mit dieser Situation wunderbar zurecht. Ich glaube, dass viele Leute damit mehr Probleme haben als ich selbst. Als Trainer bist du so oder so zum kurzfristigen Erfolg verurteilt. Wenn es dann nicht so sein sollte, gehe ich wieder Golf spielen. Aber glauben Sie mir, dass ich das nicht tun werde. Ihr Ziel ist es, Spieler im Training individuell zu verbessern. Ist das in der Kürze der Zeit überhaupt möglich? Natürlich geht das. Als ich bei Rot Weiß Essen angefangen bin, hatten wir mehr Trikots als Spieler. Dann haben wir Kreisliga-Spieler geholt, und ich habe gemerkt, wie schnell ich diesen Leuten etwas beibringen konnte. Das funktioniert auch hier bei Borussia, wenn man permanent an Schwächen der Spieler arbeitet und ihre Stärken weiter ausbaut. Sie haben sich ein erstes Bild über die Qualität der Mannschaft machen können. Wo sehen Sie Defizite, wo außergewöhnliche Fähigkeiten? Über Defizite im Einzelnen spreche ich nicht. Der Ist-Zustand ist so, dass ich eine Truppe übernommen habe, die sehr gut arbeitet und sich im Training positiv darstellt. Wir versuchen, ein bisschen anders zu spielen. Ich hoffe, dass Leistungsträger wie Sebastian Kehl und Christoph Metzelder zurückkommen. Eine junge Mannschaft benötigt solche Eckpfeiler. Dann bin ich davon überzeugt, dass wir eine gute Rückrunde spielen. Wenn man in einen guten Lauf kommt, ist alles möglich. Die Frühjahrsserie beginnt für den BVB knüppeldick mit einer englischen Woche sowie den Gegnern Bayern, Mainz, Stuttgart und Hamburg. Hätten Sie es sich ein wenig leichter gewünscht? Die Spielansetzungen kann ich nicht beeinflussen. Man muss es nehmen, wie es kommt. Ich hätte mir gern eine längere Vorbereitungszeit gewünscht. Deshalb muss ich sehen, dass ich meine Vorstellungen in drei Wochen einbringe und die Mannschaft sie umsetzt. Das ist nicht das Optimale, aber auch nicht zu ändern. Sie haben Gruppenbildung in der Gemeinschaft ausgemacht. Was können Sie tun, um der Mannschaft einen neuen Teamgeist einzuhauchen? Ich habe dieses Problem in Einzelgesprächen herausgehört. Das passiert oft, wenn es nicht läuft. Es entwickelt sich eine gewisse Eigendynamik. Dann sind Spieler auch mit dem Trainer unzufrieden. Ich denke, dass wir uns jetzt auf einem guten Weg befinden und spüre das am Gesamtverhalten der Spieler, im Training und auch außerhalb. Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben, autoritär oder eher kumpelhaft? Sowohl als auch. Lob und Tadel, maßvoll vorzutragen, ist wichtig. Den einen Spieler musst du behutsamer ansprechen, ihm seine Möglichkeiten aufzeigen, und dann merkst du, dass er plötzlich größer wird. Dann gibt es Situationen, in denen ich auch schon mal die Grenzen überschreite. Das Bauchgefühl, dass ich mit den Spielern richtig umgehe, habe ich schon. Die kollektive Qualität der Mannschaft wurde zuletzt in Frage gestellt. Wie beurteilen Sie ihr Leistungsvermögen? Sie ist fußballerisch stark. Wenn ich sehe, wie die Spieler mit der Kugel umgehen, dann sage ich oft: Donnerwetter. Aber das Spiel muss schneller werden und nach vorne orientiert sein. Spieler, die nicht im Ballbesitz sind, müssen lange Wege gehen, den Ball fordern und sich anbieten. Aber funktioniert dieses System bei einer insgesamt recht langsamen Mannschaft mit relativ klein gewachsenen Offensivspielern? Natürlich ist ein Sturmtank wie Jan Koller nicht mehr da. Aber Nelson Valdez zum Beispiel steht auch in der Luft, wenn er zum Kopfball geht. Den musst du als Gegenspieler erst einmal herunterholen. Auf der anderen Seite ist auch das Bremer Mittelfeld nicht das schnellste. Entscheidend ist die Handlungsschnelligkeit. Da brauchst du kein Sprinter zu sein. Daran werden wir arbeiten. Sie haben sinngemäß einmal gesagt, dass Ihre totale Identifikation mit einer Mannschaft und Ihre Begeisterung für den Fußball vielleicht ein kleiner Fehler sei. Werden Sie sich ändern? Wenn ich mich ab und zu an der Linie sehe, denke ich schon, dass ich ein bisschen bekloppt bin. Es stimmt: Ich lebe jede Situation mit und kann mich auch in die Spieler hineinversetzen. Ich werde mich wohl nicht mehr ändern, obwohl der vierte Schiedsrichter die Bewegungsfreiheit des Trainers schon einschränkt.